Die deutschen Zuhörer konnten es sich kaum vorstellen, daß der deutsche Film „Das Leben der Anderen“ in der VR China verboten ist, als ich in einem Vortrag über die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Olympiade 2008 in Peking davon sprach. Der Veranstalter wollte von mir die Quelle erfahren, aus der hervorgeht, dass der Film „Das Leben der Anderen“ in China verboten ist oder irgendwelche Hinweise auf ein implizites Verbot.
Das macht mir noch einmal bewußt, was für Übersetzungs-Aufgaben ich als chinesische Exil-Dichterin in Deutschland zu erledigen habe. Ich bekomme direkt vom Internet die authentischen Informationen aus China, auf Chinesisch, aber die Deutschen bekommen nur die von Sinologen bewußt oder unbewußt entstellten Informationen als Kompass! Wie können sie sich vorstellen, dass ein Staat, in dem die Olympiade 2008 stattfinden wird, mit der Ex-DDR Gemeinsamkeiten hat und ein Film über die Ex-DDR sogar die Gegenwart in diesem Staat widerspiegelt!
Wie kann ich etwas beweisen, was ich für selbstverständlich halte?
Als Erstes habe ich eine Email an Chen Pokong in USA geschrieben. Chen gehört zu den chinesischen Dissidenten, die ich schätze. Nach dem Pekinger Massaker hat er insgesamt fünf Jahre im Gefängnis als Sklave arbeiten müssen. (Siehe http://laogai.org/news/newsdetail.php?id=1937)
Alles, was ich nicht über China weiß und verstehe, kann ich von ihm und anderen Exil-Chinesen erfahren.
Anfang April, als ich noch auf einer Konferenz von Exil-Chinesen in Auckland war, hat Chen einen Artikel über „Das Leben der Anderen“ veröffentlicht,
(http://www.epochtimes.com/gb/7/4/4/n1668636.htm) darin hieß es:
„Das Leben der Anderen“ ist aber in der VR China verboten. Denn in dem Film wird geschildert, wie in dem von einer kommunistischen Partei regierten damaligen Ost-Deutschland, die Geheimpolizisten durch Abhören, Überwachen und Bespitzeln usw. die Menschen und Gesellschaft unter Kontrolle halten. All die Chinesen, die den Film sahen, mussten über die Widerspiegelung der heutigen VR China staunen. Wie ähnlich ist die heutige VR China mit der ehemaligen DDR!
Das Verbot brachte die Raubkopien der DVD dieses Films ins Rennen, wie es bei anderen verbotenen Büchern und Filmen der Fall war. Während des chinesischen Neujahrsfestes fragten viele Chinesen beim Besuch als Erstes, „Hast Du ‚Das Leben der Anderen‘ gesehen?“
Bei all den Chinesen, die überwacht werden, fand der Film erst recht großes Echo. Unter der Überwachung der Polizisten in Zivil schauten sie sich den Film an und mussten darüber seufzen, was im 21sten Jahrhundert, in Osteuropa und der Ex-Sowejetunion Vergangenheit war, ist in der VR China noch gegenwärtig.
Auf meine Email hat Chen gesagt, dass ich mich an Zeng Jinyan in Peking wenden sollte. Zeng gehört zu den überwachten Chinesen und ist mir bekannt.
(Siehe http://www.time.com/time/specials/2007/time100/article/0,28804,1595326_1615754_1616169,00.html
www.zonaeuropa.com/20060725_2.htm)
So rief ich an und konnte beim zweiten Versuch ihren Mann, Hu Jia erreichen.
Hu Jia lachte über meine Frage, ob der Film wirklich verboten ist!
Denn für alle chinesischen Intellektuellen ist es selbstverständlich, dass der Film verboten ist.
Jedenfalls hat er mir bestätigt, dass es wahr ist, was ich im Vortrag behauptet habe.
Oder besser gesagt, der Film kommt in der VR China bis heute weder in den Medien, noch im Kino vor!
Aber in Hongkong wurde der Film gezeigt. Deshalb ist die Raub-DVD dieses Films in der VRChina verbreitet.
In diesem Zusammenhang möchte ich einige Beweise aus dem Artikel von Zeng Jinyan über „Das Leben der Anderen“ übersetzen, den sie im Februar während des chinesischen Neujahrsfestes veröffentlichte
(http://news.boxun.com/news/gb/pubvp/2007/02/200702181327.shtml):
Während mein Mann Hu Jia von den Pekinger Geheimpolizisten mehrmals als Geisel genommen und sogar über ein halbes Jahr gefangen genommen wurde, wurde ich auch ein halbes Jahr lang bedroht, verfolgt und überwacht. Danach schauten wir uns in einer Nacht zu Hause die DVD von dem Film „Das Leben der Anderen“ an, während die Stasi, die uns überwachten, draußen im Treppenhaus auf uns lauerten.
Der Film ist so real wie das Leben.
Die Stasi hört ab, bringt Überwachungskameras an, bedroht das Leben der Familienangehörigen, verfolgt die Künstler, kontrolliert die Briefe, sexuelle Belästigung, „Für das Volk“, „Für die Staatssicherheit“, „Auf welcher Seite bist Du“ und ähnliche Worte, insbesondere die Atmosphäre in der Ex-DDR voller Spitzeln auf der Straße, all das kommt mir sehr bekannt vor. Hu Jia sah einigen Dialogen im Film zu und rief aus, ist das nicht genau die Realität bei uns?
Die sogenannten „Staatssicherheit bedrohenden Chinesen und Ausländer“, darunter Sozialarbeiter, Intellektuelle, Prominente, Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Bürgerrechtler, Gläubige… die Liste ist lang, werden alle abgehört, belieblig die Leitung abgebrochen, verfolgt, fotographiert, Familienangehörige und Geschäftspartner bedroht, bestraft, verhaftet, verprügelt, den Paß beschlagnahmt, Auslandsreisen verweigert, eine bedrohliche Atmosphäre wird erzeugt, damit man sie spürt und vor Angst Selbstzensur verübt, schweigt oder sprachlos wird.
Am 11. Januar 2007 hat der stellvertretende Leiter der Hauptverwaltung für Presse und Verlagswesen Wu Shulin auf einer Sitzung eine Liste von im Jahr 2006 veröffentlichten Büchern, die gegen die kommunistischen Vorschriften verstiessen, verkündet und ein Verbot gegen acht Buchtitel verhängt. Die zuständigen Verlage und Redakteure sollen gemaßregelt werden.
Das ist doch genau wie die Vorgehensweise des Kultusministeriums der DDR, welches mehrere Verbote verhing, um die Kulturschaffenden zu kontrollieren.
Am nächsten Tag habe ich mittels Skype einen Schrifsteller-Kollegen Zhou Qing in Peking (Siehe http://www.msnbc.msn.com/id/19650917/site/newsweek/page/0/
http://www.cnn.com/video/#/video/business/2007/07/04/vause.china.syndrome.cnn) erreicht und ihn darauf angesprochen. Er sagte, ja, der Film ist verboten, aber korrekterweise müsste man sagen, dass der Film nicht eingeführt wurde. Es ist so zu sagen, eine neue Methode, die Filme und Bücher zu verbieten. Ähnlich geht es mit seinen Büchern. In keiner Buchhandlung in Peking werden seine Bücher angeboten. Als ein Journalist der New York Times danach fragte, antwortete ein kommunistischer Sprecher, dass seine Bücher vergriffen seien.
Ich hoffe, dass die obengenannten Aussagen den Deutschen klar machen können, warum „Das Leben der Anderen“ in der VR China verboten ist.
Wenn nicht, dann kann ich weitere Zeugenaussagen und Beweise, an denen es nicht mangelt, übersetzen.
Köln, Juli 2007