Zur Desillusion über Ai Weiwei und China
Nach meinem zweiten Heimkehrversuch 2002 wehrte ich mich vergeblich gegen die Olympischen Spiele in Peking, wie einst Heinrich Mann gegen die Olympischen Spiele in Berlin. 2008 fühlte ich mich von Ai Weiwei in Peking bestätigt und bestärkt.
Durch die größte Militärparade weltweit in Peking müssten noch mehr Menschen die Parallelen zwischen dem KP-Regime und dem NS-Regime aufgefallen sein, zumal Peking die gigantische Waffenschau zur Gedenkveranstaltung des Sieges über die Faschisten deklarierte. Die rote Fahne der Sowjetunion, die 1945 als Siegeszeichen über Hitler in Berlin flaggte, wurde 70 Jahre später von russischen Soldaten über den Tiananmen-Platz getragen. Dennoch können weder Pekings Propaganda noch Putins Propaganda die Tatsache verdrehen, dass Menschen im Westen Bürgerechte genießen, während die Menschenrechte in der VR China und in Russland systematisch verletzt werden.
Am Tag vor der Militärparade in Peking behauptete jedoch Ai Weiwei in Berlin, der zuvor eine Verschleppung von 81 Tagen und ein vierjähriges Ausreiseverbot erlitt, dass sich die Menschenrechtslage in der VR China verbessert hätte, im Vergleich zur Kulturrevolution und es in der VR China besser zuginge, im Verglich zu Nordkorea und Russland.
Wenn man Ais Äußerungen seit seiner Ankunft in Deutschland mit seinem letzten Interview „Wir leben im Zeitalter der Verrücktheit“ vor seiner Verschleppung vergleicht, kommt man leicht zu der Erkenntnis, dass Ai Weiwei nun auch unter dem Stockholm-Syndrom leidet. Damals hatte er die Verfolgung der Bürgerrechtler durch die KP Chinas kritisiert, aber jetzt versucht er es zu relativieren.
Da ich wegen der chinesischen Jasmin-Revolution seit dem März 2011 auf Twitter bin, habe ich gemerkt, dass sich Ai Weiwei auch nicht kritisieren lässt, wie seine Peiniger in Peking. Als er verschleppt wurde, habe ich ihn bei jeder Gelegenheit verteidigt. Nun sehe ich mich dazu verpflichtet, ihn mit folgenden Daten und Fakten zu widerlegen.
1. Die VR China ist das einzige Land auf der Welt, in der sogar Säuglinge systematisch umgebracht werden. Die sogenannte „Ein Kind-Politik“ hat fast alle Chinesinnen zu Abtreibungen gezwungen und viele Familien traumatisiert.
2. In Nordkorea und Russland gibt es auch keinen systematischen Organraub, gegen den ich mich seit 2006 einsetze und den auch das Europa-Parlament 2013 mit einer Resolution verurteilte.
www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do
3. Nachdem das KP-Regime mit dem Tiananmen-Massaker 1989 die Demokratiebewegung niedergewalzt hat, dürfen die Menschen nur nach Geld streben. Diejenigen, die nach Freiheit streben und das Tiananmen-Massaker thematisieren, werden kriminalisiert und bestraft. Selbst ihre Familienangehörigen und die Angehörigen der Todesopfer beim Tiananmen-Massaker werden verfolgt.
4. Seit dem Juli 1999 werden 100 Millionen Menschen verfolgt, die sich nach „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Duldsamkeit“ richten. Bis Ende 2013 sind schätzungsweise 3.36 Millionen Chinesen der Falun Gong-Verfolgung zum Opfer gefallen. Verifizierte Todesopfer sind 3880 (Stand 13. September 2015), in der ersten Hälfte dieses Jahres sind es 61.
5. Seit 2009 haben sich 149 Tibeter mit Selbstverbrennungen gegen die Unterdrückung der KP Chinas gewehrt.
Ich könnte noch weitere Daten und Fakten aufführen, denn dank des Internets kann ich mich tagtäglich von dem systematischen Verbrechen in China überzeugen.
Anhand der Veränderung von Ai Weiwei ist zu erkennen, dass das KP-Regime seine Opfer bzw. Geiseln dafür einsetzt, das systematische Verbrechen in China zu vertuschen.
Die nordkoreanischen Kommunisten sind zu arm, um mit Geld als Waffe andere Länder zu unterwandern. Putin hat sich auch nicht erlauben können, innerhalb von 10 Jahren (2004-2014) 475 große Propaganda-Zentren, die sich „Konfuzius-Institute“ nennen und 851 kleine Propaganda-Zentren, die sich „Konfuzius-Klasse“ nennen, weltweit zu finanzieren. Während Propagandisten und PR-Leute aus Peking ausländische Schüler indoktrinieren, dienen auch westliche Lehrkräfte dem Politbüro der KP China als Sprachrohre. Denn nicht nur dort gelten die Verbote der KP Chinas. Die Informationsfreiheit wird dadurch auch im Westen bzw. in Deutschland beschnitten.
Es ist also kein Wunder, dass sieben Jahre nach den Olympischen Spielen in Peking die Leichtathletik Meisterschaft dort stattfand, ohne Protest und kaum Kritik!
Tiananmen-Helden, Jasmin-Revolution und Ai Weiwei
Am 15. April 1989 begannen die größten Massenproteste gegen die kommunistische Diktatur seit ihrer Machtergreifung in China. In über 300 chinesischen Städten haben gewaltlose Demonstrationen stattgefunden.
Die Chinesen weltweit haben den friedlichen Volksaufstand in ihrem Heimatland unterstützt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland hat es verschiedene Solidaritätsdemonstrationen gegeben.
Leider kannten die anführenden Studenten, die meistens in den sechziger Jahren zur Welt kamen, nur die verfälschte Geschichte der kommunistischen Machthaber wie Deng Xiaoping (1904-1997). So forderten sie einen Dialog mit den Machthabern, ohne zu wissen, dass die Kommunisten nur Gewalt kennen. Die Geschichte der KP Chinas hat gezeigt, dass die Kommunisten Dialoge führten, nur um ihr Gegenüber zu betrügen oder auseinander zu bringen.
Die Demonstranten versammelten sich auf dem symbolträchtigen Tiananmen-Platz, um ihre berechtigte Forderung durchzusetzen. Die Reformer wie der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Zhao Ziyang wurden von Deng Xiaoping und Co. illegal entmachtet, nachdem sie sich für eine friedliche Lösung einsetzten und gegen Gewaltanwendung aussprachen. Danach erteilten Deng und Co. den Befehl, bis zum 4. Juni den Tiananmen-Platz zu räumen. Über 200,000 Soldaten wurden dazu gezwungen, den Weg zum Tiananmen-Platz freizuschiessen. Dabei wurden etwa 3000 Menschen getötet. Unzählige Menschen wurden physisch oder psychisch verletzt.
Nach dem Massaker fanden Verleumdungskampagnen und Verhaftungswellen statt. Dennoch gelang es einer Reihe von Demonstranten, die auf den Fahndungslisten standen, unterzutauchen oder ins Ausland zu fliehen. Ein Zeichen dafür, dass die Kommunisten seitdem nicht mehr in Lage sind, China bzw. die Chinesen ganz unter Kontrolle zu halten, wie es bis dahin der Fall war.
Unter den Verhafteten befand sich der Friedensnobelpreisträger 2010 Liu Xiaobo. Er trat als Zeuge im kommunistischen Fernsehen auf, um die Propaganda der KP Chinas zu bestätigen, dass es beim Räumen des Tiananmen-Platzes keine Toten gäbe. Deshalb hat das Regime Liu entlassen, während andere Beteiligte hingerichtet, gefoltert und zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die drei Helden, die das Mao-Porträit am Tiananmen-Tor färbten, um ein Ende der Diktatur zu fordern, wurden zu einer Gefängnisstrafe von jeweils unbefristet, 20 und 16 Jahren verurteilt.
Seitdem fällt Liu als rückhaltloser Streber auf, dem es weder um Menschenwürde noch um soziale Gerechtigkeit, sondern um seine Geltungssucht geht. Er bekannte sich in seiner Veröffentlichung über den Tiananmen-Protest offen zum Opportunismus und Größenwahn mit Auslassungen wie: „Ich verachte Menschenmassen, betrachte die Gesellschaft als Mob, verehre die persönliche Kreativität des Genies, mein Lebensziel ist zu sehen, ob ein einsames Genie mit Kreativität stärker ist als das gemeine Volk“. Liu Xiaobo ist exemplarisch für die Missbildung der kommunistischen Indoktrination. Denn um in dem Unrechtssystem aufzusteigen, hat Liu freiwillig bei einem in Moskau ausgebildeten Kommunisten promoviert, während unabhängige Chinesen wie Ai Weiwei das Studium unter der kommunistischen Führung ablehnen.
Das Tiananmen-Massaker hat das wahre Gesicht des kommunistischen Regimes gezeigt. Viele Chinesen haben seitdem die Verlogenheit und Brutalität des Regimes erkannt. Sie führen einen kalten Krieg mit den kommunistischen Machthabern. Seit dem Massaker und durch das Massaker lehnen immer mehr Chinesen eine kommunistische Partei bzw. ihre Diktatur ab, wie die drei Tiananmen-Helden, während sich Liu Xiaobo weiter um die Kooperation mit dem rechten Flügel der KP Chinas bemühte, bis der linke Flügel ihn verhaften liess.
Der Sieg der Ägypter hat die chinesischen Demokraten ermutigt, eine Jasmin-Revolution auszurufen. Sie fordern nun von Anfang an, die kommunistische Diktatur zu beenden.
Das Regime reagiert wieder mit Gewalt und hat eine Reihe von renommierten Chinesen im Land verhaftet, darunter auch Ai Weiwei.
Anders als Liu Xiaobo hat der großartige Künstler keine politische Ambition, zeigt aber seit 1979 öffentlich eine ablehnende Haltung gegenüber dem kommunistischen System. 1989 hat er den Volksaufstand in China aus New York unterstützt und später in seinem Werk immer wieder Bezug darauf genommen.
Ai Weiwei hat die Jasmin-Revolution nicht initiiert, aber er wurde hineingezogen. Am 2. April hat er aus Ärger über das Kidnappen eines Rechtsanwaltes getwittert, „Morgen gehe ich spazieren, um Blüten zu verstreuen“. Der darauf folgende Tag war der siebte Jasmin-Sonntag. Seit diesem Tag ist Ai Weiwei unrechtmässig gekidnappt worden, wie der Rechtsanwalt Gao Zhisheng und andere Regime-Gegner.
Die Jasmin-Revolution wird dadurch nicht verhindert, sondern weiter unter Chinesen verbreitet.
Die Jasmin-Revolutionäre sind kreativ und humorvoll. Unter ihnen befinden sich eindeutig Fans von Ai Weiwei.
Sie wissen, dass sich die Menschenrechtslage erst verbessern kann, wenn die Wurzel des Übels ein für allemal beseitigt wird, wie es in der Sowjetunion und ihren Vasallenstaaten in Osteuropa geschah.
Am Abend des 4. Juni 2011 fand in Hongkong das 22ste und größte Gedenkfest weltweit statt, an dem über 150.000 Menschen mit Kerzen und Jasmin-Blüten teilnahmen.
Die Ankündigung des 16. Jasmin-Sonntags (5. Juni) hat sich auf diesen Gedenktag bezogen:
„Heute, nach einer 22 jährigen Demokratiebewegung, hoffen wir auf keinen Fall noch auf ‚Reform‘. Was wir wollen, ist die Jasmin-Revolution, die eine kommunistische Diktatur beendet. Wir wollen uns auch darum bemühen, den hundertjährigen Traum vom Rechtsstaat zu erfüllen!“
Ein Tribut an die Machthaber in Peking
Dem Regime in Peking, das die Kulturen in China systematisch zerstört und die Völker willkürlich verfolgt, ist es gelungen, sich mit einer deutschen Ausstellung legitimatorischen Glanz zu verschaffen.
Das Einreiseverbot für Tilman Spengler betrachte ich als eine öffentliche Mahnung vom Himmel an die Komplizen der kommunistischen Führung, die Menschen wegen ihrer Gedanken verfolgt und umbringt. Ich bin nicht in der Lage, nach meiner Germanistik-Promotion in meine Heimat zurückzukehren, aber ich nutze gerne die Freiheit in Deutschland, um den Widerstand gegen die KP-Diktatur zu unterstützen.
Ein Schönredner, der immer wieder verblüfft
Als Tilman Spengler 2002 auf der Buchpremiere meines dritten Gedichtbandes „Affenkönig“ mit Illustrationen von Jörg Immendorff, eine Rede hielt, habe ich ihn persönlich über die Lage in China, insbesondere die Verfolgung von der Falun Gong-Bewegung, informiert. Die verifizierten Todesopfer betragen bis heute (26.05.2011) 3435.
Seit ich dank Internet mit Menschen weltweit verbunden bin, sind zwei Kollegen Yang Chunguang (1956-2005) und Lihong (1958-2010) in China zu Tode verfolgt worden. Die beiden Dichter und weitere inhaftierte Kollegen motivieren mich, die Öffentlichkeit über die Lage in meiner Heimat aufzuklären. Ich habe nicht nur Lihong unterstützt, der sich gegen den Missbrauch der Olympischen Spiele 2008 aussprach, sondern betrachte auch Heinrich Mann als Vorbild, der sich gegen den Missbrauch der Olympischen Spiele 1936 stellte. Ebenso sind die Geschwister Scholl ein Ansporn für den chinesischen Widerstand gegen die kommunistischen Machthaber. Tilman Spengler aber hat die größte Propaganda-Schau in Peking schöngeredet und sitzt vermutlich gerne mit den Machthabern in einem Boot.
Ein aufrichtiger China-Experte hätte die Olympischen Spiele 2008 nicht unterstützt, sondern die Parallelen zwischen Nazideutschland und dem kommunistischen China nach dem Tiananmen-Massaker aufgezeigt.
Dass Spengler nun an der Einreise gehindert wurde, hängt nach eigenem Bekenntnis mit seiner Rede über Liu Xiaobo zusammen. Viele Chinesen sind von den kommunistischen Machthabern verhaftet worden. Aber ausgerechnet Liu Xiaobo wird im Westen gewürdigt. In seinem „Monolog eines Überlebenden der Endzeit“ (1992 ) gesteht Liu Xiaobo offen: „Ich verachte Menschenmassen, betrachte die Gesellschaft als Mob, verehre die persönliche Kreativität des Genies, mein Lebensziel ist zu sehen, ob ein einsames Genie mit Kreativität stärker ist als das gemeine Volk“. Das ist nicht die Position des chinesischen Widerstands gegen die kommunistischen Machthaber, die ich unterstütze.
Die Wortführer des chinesischen Widerstands wie Wei Jingsheng halten Liu Xiaobo einstimmig für einen Kollaborateur des Regimes. Ein Sinologe könnte die Schriften von Liu Xiaobo lesen und verstehen. Er wäre in der Lage, zu erkennen, dass Liu Xiaobo weder Menschenrechtler noch Demokrat ist, sondern ein Opportunist, der seine eigenen Interessen verfolgt und den chinesischen Widerstand immer wieder verrät.
Die Verteidigungsrede „Ich habe keine Feinde“, die bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 2010 vorgelesen und weltweit übertragen wurde, steht exemplarisch für seine verlogene kriecherische Haltung gegenüber einem Regime, das bereits 80 Millionen Todesopfer gefordert hat und weitere unschuldige Menschen umbringt, trotz seiner eigenen unrechtmäßigen Gefängnisstrafe.
Ein chinesischer Künstler mit internationaler Sicht und Wirkung
Ai Weiwei hat die Olympischen Spiele 2008 scharf verurteilt, sobald er sie als Propagandaschau der Machthaber ohne Volk erkannt hatte. Seitdem fühle ich mich immer wieder von ihm bestätigt und ermutigt.
Spengler dagegen bleibt bei seiner alten Haltung gegenüber der KP-Diktatur. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass 10 Mio. € in Peking ausgegeben wurden, damit die deutsche Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ unter der KP-Führung am Platz des Himmlischen Friedens eröffnet werden konnte. Ai Weiwei aber hat unsere Kritik daran wieder in die westliche Öffentlichkeit gebracht. Ohne Ai Weiwei hätten weniger Leute die gigantische Schau in dem roten nationalistischen Museum als Alibi-Veranstaltung erkannt.
Während der gekidnappte und unrechtmäßig verhaftete Ai Weiwei von den Medien der KP Chinas auf üble Art und Weise verleumdet wird, verbreitet Spengler weiter die Propaganda des Regimes, beispielsweise behauptet er in der SZ, die KP-Dikatur habe „einen Teil ihrer Bevölkerung aus bitterer Armut, Unfähigkeit zum Lesen, Emanzipation von männlichem Primatenverhalten zumindest den ersten Schritt herausgeführt“. Damit ignoriert er die Republik China, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wurde und in Taiwan weiter existiert, zugunsten der Volksrepublik China. Tatsächlich begann die Modernisierung Chinas durch die Ausrufung der Republik, und sie wäre ohne die Invasion der Komintern wie in Taiwan durchgeführt worden.
Ai Weiwei hat gegenüber dem Westen den chinesischen Widerstand verkörpert. Der chinesische Künstler hat mit seinem Leben und Werk der Welt gezeigt, dass China unter der KP-Diktatur ein Schurkenstaat ist, der die Menschenwürde missachtet und jeden bedroht. Gott sei Dank gibt es immer mehr Deutsche, die sich dagegen wehren, von einem Schurkenstaat wie Vasallen behandelt zu werden.
Ai Weiwei sagt und praktiziert, „Egal wer, wenn er nicht für die Gerechtigkeit kämpft, nicht für den Anstand kämpft, dann gehört er zur Ungerechtigkeit und Unanständigkeit“. Darum wird Ai Weiwei auch von Chinesen bewundert, die den kommunistischen Machthabern in Peking und ihren Kollaborateuren Widerstand leisten, wie ich.