Mein Geburtsort Kangding liegt in Tibet. Das erfuhr ich erst in Deutschland durch den Dalai Lama, nachdem ich mich von der kommunistischen Indoktrination befreit hatte. Tibet gehöre zu China, so behauptet die kommunistische Diktatur. Unter diesem Vorwand ist das kommunistische Militär aus China in Tibet einmarschiert. Tibet und China wurden von den atheistischen Kommunisten ins Chaos gestürzt und umorganisiert. Während Tibeter und Dalai Lama zur Flucht gezwungen wurden, mußten meine Eltern als Funktionäre immer dort arbeiten, wo sie gerade von der kommunistischen Partei gebraucht wurden wie die gesamte Bevölkerung unter der neuen brutalen Herrschaft.
In meinem Geburtsjahr rief der kommunistische Führer Mao Zedong zur „Kulturrevolution“ auf, die zehn Jahre dauerte. Junge Mao-Fanatiker, Rotgardisten, zogen durch das große Land und zerstörten vieles, was zur chinesischen Tradition gehörte, während sie nach Peking pilgerten, um Mao auf dem Platz des himmlischen Friedens zuzurufen: „Zehntausend Jahre lebe der Vorsitzende Mao!“ Die Nonnen und Mönche, die den weltlichen Dingen entsagt hatten, um sich auf taoistischen oder buddhistischen Wegen zur Erleuchtung zu kultivieren, wurden zu dieser Zeit aus den Tempeln und Klöstern vertrieben. Statt der heiligen Schriften mußten sie die „Mao-Bibel“ rezitieren wie die Massen, die der Diktator Mao manipulieren konnte.
In der Schule und an der Universität wurde nur das kommunistische und materialistische Gedankengut verbreitet. Zuhause jedoch lernte ich von den traditionell gesinnten Verwandten – insbesondere meiner Großmutter – eine unsichtbare Welt voller Geister kennen. Diese geistige Welt kam mir später entgegen, als ich die alten chinesischen Dichtungen und die Bibel auf Deutsch las. Gerne hätte ich als Nonne, die sich der religiösen Welt zuwendet, auf dem heiligen Berg leben wollen, aber mein Weg hat mich nach Deutschland geführt.
Statt Heilige Schriften in einem chinesischen Kloster zu rezitieren, habe ich an einer deutschen Universität Literatur und Philosophie studiert.
Während man sich als Nonne weder in Tibet noch in China der kommunistischen Herrschaft entziehen kann, ist es mir in Europa möglich, mich wie eine chinesische Wandernonne der geistigen Welt zu widmen. Sich vervollkommnen kann man überall, wenn man es wirklich will. Die Form ist weniger wichtig als der Wille. In einem Kloster mitten auf dem Berg zu leben, ist es einfacher, sich nicht von den weltlichen Versuchungen ablenken zu lassen. Aber unter den Menschen kann man sich besser in der Nächstenliebe üben… So wandere ich zwischen der chinesischen und westlichen Kultur, zwischen einer sinnlichen und übersinnlichen Welt.
Die Gedanken- und Glaubensfreiheit in Europa preise ich in meiner Muttersprache an und nutze diese Freiheit aus, um die kommunistische Diktatur anzuprangern, welche die Demokratiebewegung im Jahr 1989 mit Panzern niederdrückte und nun den buddhistisch- taoistischen Weg Falun Gong mit Staatsterror verfolgt.
In der deutschen Sprache dichte ich auf eine chinesische Lebensart, die dem scheinbaren Fortschritt der Moderne entgegengesetzt ist, und seit einem Jahr auf Falun Gong, der die Quintessenz der chinesischen Kultur enthält. Auf dem Weg von Falun Gong kann man sich nicht nur körperlich heilen, sondern sich nach den drei Prinzipien „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Duldsamkeit“ vervollkommnen. Ich habe also den Weg gefunden, auf dem mein Lebenswunsch in Erfüllung geht.
Die Grenze zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt überschreite ich, wenn ich die fünf körperlichen Übungen von Falun Gong durchführe, insbesondere wenn ich im Lotossitz meditiere.