„Held“ bezieht sich hier auf einen Film von Zhang Yimou.
Gongfu hat etwa die gleiche Bedeutung wie Gong. Das bezeichnet eine sichtbare oder unsichtbare Fähigkeit, die man durch buddhistische oder taoistische Einweihung und Übung erlangen kann, wie in den chinesischen Mythen.
Zhou Xingchi bzw.Stephen Chow hat gute Gründe, seinen neusten Film als „Gongfu“ zu bezeichnen. Anhand von Zhous Äußerungen vermute ich, daß seine Eltern zu der gebildeten Schicht gehörten, die unter der kommunistischen Diktatur vernichtet wurde. Als Flüchtling in Hongkong lebte seine Familie in einer sehr engen, aber freundlichen Umgebung. Zhou sprach von einem unauffälligen Nachbarn, der sich ihm als Gongfu-Meister offenbarte. Bevor England Hongkong an die VR China zurückgab, hatte Zhou wie viele Hongkonger versucht, ins Ausland zu fliehen. Aber seine Auswanderung hat nicht geklappt. So blieb er in Hongkong und gab bekannt, daß er es nicht wagt, offen zu sagen, was er denkt, aber er freut sich, daß man seine Filme versteht.
Zhous Filme werden verstanden. Der Schriftsteller Huang Jinqiu hat ihn mir persönlich empfohlen. Kurz danach wurde Huang in China wegen seiner regimekritischen Veröffentlichungen verhaftet. In Gedanken an Huang habe ich mich mit Zhous Filmen beschäftigt und gab Huang Recht, daß wir auf der gleichen Wellenlänge liegen.
Zhou hatte wie Zhang Yimou Filme gedreht, die vom kommunistischen Regime verboten wurden. Während Zhang sich danach als Werkzeug nutzen ließ, gelang es Zhou, eine Symbolsprache zu erfinden, die seine Gedanken ausdrückt und das Verbot umgeht.
Während Zhangs Film „Held“ – wie das Regime – die chinesische Geschichte verdreht und den verpönten Diktator Qinshihuang und seine Gewalt verherrlicht, bedeutet Zhous Film „Gongfu“ für jeden Insider eine Parodie auf die KP und vor allem auf den Diktator Jiang Zemin.
Zhou liebt den chinesischen Mythos „Die Pilgerreise in den Westen“, in dem vier Figuren, darunter der Affenkönig, nach 81 Kämpfen bzw. Prüfungen von Buddha erlöst werden. So kommt der „Affenkönig“, mit dem ich ein Buch von mir betitelt habe, auch in einem Film von Zhou vor.
Zhou betrachtet Li Xiaolong bzw. Bruce Lee als sein Vorbild. In den fünfziger Jahren, als Buddhisten und Taoisten vom Regime verfolgt wurden, hatte Li in Hongkong das Glück, von einem Gongfu-Meister eingeweiht zu werden. In den Siebziger Jahren gelang es Li, sein Gongfu mit Filmen weltbekannt zu machen.
Anfang der Achziger Jahren durfte in China der erste Gongfu-Film „Das Shaolin Kloster“ von einer Hongkonger Firma gedreht werden, während das vom Regime zerstörte Shaolin Kloster noch in Trümmer lag. Das von den Buddhisten in diesem Kloster überlieferte Gongfu nennt sich Shaolin-Gongfu und zählt seit der Tang-Dynastie in China zum bekanntesten Gongfu.
Der Film „Das Shaolin Kloster“ machte den Hauptdarsteller Li Lianjie bzw. Jet Li, einen talentierten Wushu-Schüler aus Peking, zum Filmstar. Das heißt, unter dem Regime wurde Gongfu auf Wushu (Kampfkunst) reduziert und wie Sport betrieben, ohne die buddhistische oder taoistische Lehre dahinter zu erlauben. Mittlerweile ist Jet Li ein Weltstar und bekennt sich öffentlich zum Buddhismus. Damit übt er eine unbewußte Kritik am Regime, denn die KP will immer noch die Bevölkerung zum Glauben an den Materialismus und Atheismus zwingen. Zwangsmaßnahmen und Kampagnen haben nie aufgehört.
Shaolin-Gongfu kam Zhous letzten Film vor und Jet Li hält Zhou für seinen Freund.
Kurz gesagt, die Gongfu-Filme oder -literatur haben eine buddhistische oder taoistische Wurzel. Ein kommunistischer Film wie Zhangs „Held“ hat damit wenig zu tun, bis auf die Kampfszene, während in einem guten Film wie Zhous „Gongfu“ verschiedene buddhistische und taoistische Grundsätze wunderbar veranschaulicht werden.
Zum Beispiel lautet ein Grundsatz: Der Meister sucht sich seinen Schüler aus. Der Glaube des Schülers an den Meister wird immer wieder auf die Probe gestellt. Auf dem Weg zur Vollendung oder zur Erlösung wird der Schüler immer wieder bestraft oder belohnt, es kommt ganz auf sein eigenes Verhalten und sein eigenes Verständnis an.
Um diesen Grundsatz kreist Zhous Film. So sehen wir: Ein wie ein Bettler aussehender Mann spricht Zhou in seiner Kindheit an und sagt, daß er ihm mit einem Heft das Buddhahand-Gong beibringen kann. Zhou glaubt daran und kauft das Heft mit seinen ganzen Ersparnissen. Sein Leben wird dadurch verändert. Als er aber einem Mädchen mit dem Buddhahand-Gong helfen will, wird er von anderen Jungs verprügelt und ausgelacht. Sein Glaube an Buddhahand-Gong verschwindet und er selbst gerät auf Abwege.
Als sich Zhou aber im Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen auf die richtige Seite stellt, beherrscht er auf einmal Buddhahand-Gong und besiegt damit den Bösen mit dem Kröten-Gong.
Der Film zeigt eine proletarische Siedlung mit dem Namen Schweinedrachen-Dorf, in dem es brutal zugeht. Die Menschen, die eigentlich wie die Schweine leben, entpuppen sich schließlich doch als „Nachkommen der Drachen“, wenn ihr Gewissen herausgefordert wird.
An dem Siedlungstor ist neben dem Namen Schweinedrachen-Dorf auch ein fünfeckiger Stern, das Abzeichen der kommunistischen Armee. Alle Chinesen kennen den kommunistischen Film „Der strahlende rote Stern“. Dieser Modellfilm aus dem Jahr 74 wurde sogar im letzten Jahr noch als Fernsehserie reproduziert und gesendet. Die Hauptrolle darin spielt ein zehnjähriger Junge, der unbedingt in die rote Armee eintreten will; seine Waffe ist eine Axt.
Das Zeichen der Axt ist auch auf der kommunistischen Fahne zu sehen.
Es kann also kein Zufall sein, daß die Verbrecherbande in westlicher Kleidung „die Axtbande“ heißt und mit der Axt tötet. Um in diese Axtbande aufgenommen zu werden, muß man zuerst töten. In der Tat haben mein Vater und auch der Vater von Zhangrong, der Autorin von „Wilde Schwäne“ getötet, um kommunistische Parteimitglieder zu werden.
Als die Axtbande von der Bevölkerung fast besiegt wurde, erschien der Böse mit dem Kröten-Gong. Auf dem Weg zu diesem Monstrum wurden Panzer, Soldaten und viel Blut gezeigt.
Der Diktator Jiang kam nach der Studentendemonstration vom Jahr 89 an die Macht, die mit seiner Unterstützung von Panzern niedergewalzt wurde.
Im Film versucht das organisierte Verbrechen ebenfalls, seine Macht auszudehnen. In der Realität demonstrieren die Hongkong-Chinesen nach dem Massaker vom 89 jedes Jahr gegen die KP, und immer stärker.
Jiang wird „die Kröte“ genannt und damit karikiert, insbesondere in Hongkong. Ich habe auch ein Computerspiel mit Jiang als Kröte im Internet gesehen.
Als der Böse mit dem Kröten-Gong im Film auftrat, wurde er zuerst mit einer Brille dargestellt, die ähnlich wie Jiangs Brille aussieht, zumal diese Brille sowieso von den Chinesen als Kröten-Brille bezeichnet wird.
Jiang hat einige Menschen bei lebendigem Leib mit verbrennen lassen, um Falun-Gong zu diffamieren und zu verfolgen. In dem Film hätte die Axtbande beinahe auch einige Menschen bei lebendigem Leib verbrannt.
Deshalb erinnert Zhous „Gongfu“ die Exilchinesen an „den großen Diktator“ von Charlie Chaplin, während wir Zhang Yimou, der wie die Kommunisten rot bzw. Blut liebt, mit Leni Riefenstahl vergleichen.
Köln, 20.Juni 2005