Eine geistige Reise nach China – Zu den Olympischen Spielen in Beijing

rund_lEine Einleitung

Vor 20 Jahren wurde ich mit 21 Reiseführerin in China für deutsche Touristen, nachdem ich vier Jahre lang Deutsch als Hauptfach studiert hatte. Anderthalb Jahre lang hatte ich deutsche Reisegruppen in China und durch China geführt, bis mir ein deutsches Ehepaar half, nach Düsseldorf zum Studium zu kommen.

Bis dahin hatte ich an nichts gezweifelt, was ich in der Schule und an der Hochschule zu lernen bekam, auch wenn das Lehrmaterial mich langweilte. An die Lüge, dass wir Chinesen unter der Führung der kommunistischen Partei ein glückliches Leben führen, während zwei Drittel der Weltbevölkerung unter Hunger und Kälte leiden und auf eine Befreiung von uns warten, hatte ich geglaubt.

Denn seit der Gründung Rot-Chinas gibt es nur die Stimme der kommunistischen Partei und seit meiner Geburt bekam ich nichts anderes zu hören, als die rote Propaganda. Schließlich bin ich die Tochter eines kommunistischen Funktionärs, der bis heute alles der KP Chinas verdankt, wie die Chinesen, die Sonderrechte unter der Ein-Partei-Herrschaft genießen.

Durch meinen Vater hatte ich also auch Sonderrechte genossen. Ich wuchs ohne Hunger und Kälte auf, was für die meisten chinesischen Bauern bis heute nicht selbstverständlich ist. An Hunger sind mindestens 40 Millionen Chinesen unter der Führung der kommunistischen Partei gestorben. Das erfuhr ich aber erst in Deutschland, wie viele andere Tatsachen, die das Regime zu verheimlichen versucht.

Damit will ich sagen, dass ich wenig über China wusste, als ich Reiseführerin in China war. Aber ich war stolz, den Ausländern die schöne Landschaft und die alten Kulturstätten zu zeigen. Den Reisegästen waren auch meine Offenheit und Freundlichkeit aufgefallen, so wurde mein Trinkgeld höher als mein Gehalt und ich konnte den Flug nach Ostberlin selbst bezahlen, was sich Ende der Achtziger normalerweise kein Chinese leisten konnte.

Vom Dezember 1988 bis zum April 1989 reiste ich dank der deutschen Freunde, die ich in China als Reiseführerin kennen gelernt hatte, durch Deutschland. Da fing ich schon an, mir Gedanken über die rote Propaganda zu machen.

Aber ohne das Pekinger Massaker vom 4. Juni hätte ich länger gebraucht, um mich zu „entnazifizieren“. Der Panzer, der meine gleichaltrigen Studenten zermalmte, zermalmte auch das kommunistische Lügengebäude in meinen  Gedanken.

Das Massaker stellte den Wendepunkt in meinem Leben dar. Einerseits konnte ich nicht als Reiseführerin in den Ferien jobben wie geplant, andererseits begann ich, mein Erwachen und meine Erkenntnis zu veröffentlichen, während ich gleichzeitig Germanistik und Philosophie studierte. Ich wollte endlich den Marxismus verstehen, dessen Theorie in der VR China als Staatsideologie gilt und den alle Chinesen auswendig lernen müssen, wenn sie Schulbildung haben.

Nach einem 7 jährigen Studium hatte ich Marxismus als Staatsterrorismus identifiziert. Im Jahr 1996 unternahm ich meinen ersten Versuch, nach China zurückzukehren. An der Pekinger Universität merkte ich, dass ich den roten Käfig bereits gesprengt hatte. Wie konnte ich an der Universität arbeiten, deren Seele angeblich Marxismus sei.

So musste ich nach der Promotion weiter in Deutschland bleiben. Bis zu meinem zweiten Versuch Ende 2001, nach China zurückzukehren, war ich in Köln mit der chinesischen Kultur beschäftigt, die unter dem roten Regime zerstört und missbraucht wird.

Seit 2002, als ich zum zweiten Mal aus China geflohen bin, fühle ich mich verpflichtet, im Internet dem roten Regime Widerstand zu leisten.

Jetzt will ich nicht und darf auch nicht mein Heimatland betreten, weil ich über die chinesische Geschichte und das kommunistische Verbrechen Bescheid weiß.

So möchte ich vor den Olympischen Spielen in Beijing einen ergänzenden Beitrag zum Reiseangebot von Dertour leisten.

Ein Überblick

Auf der Welt gibt es jetzt die Republik China (Taiwan) und die Volksrepublik China. Vor den Siebzigern war die Republik China ein Mitglied der UNO, aber seit den Siebzigern wurde die Volksrepublik China in die UNO aufgenommen, wahrscheinlich weil man die VR. China als Verbündete im kalten Krieg gegen die Sowjetunion gewinnen wollte.

Dabei hat man vergessen, dass die Sowjetunion bzw. Stalin den chinesischen Kommunisten dabei half, die Republik China nach Taiwan zu vertreiben. Die Mao Biographie von der Exilschriftstellerin Chang Jung gibt genaue Auskunft darüber.
Man kann die Republik China mit Westdeutschland und die Volksrepublik mit der Ex-DDR vergleichen.
In der Tat weist die Volksrepublik China viele Ähnlichkeiten mit der Ex-DDR auf. Mit anderen Worten hat die Volksrepublik China kaum Ähnlichkeit mit den Regierungen in der chinesischen Geschichte, was leider häufig übersehen wird.

Bevor der letzte Kaiser in China zum Abdanken gezwungen wurde, hatte es in China mehrere Monarchien gegeben. Egal wie sie hießen und regierten, galt niemals eine atheistische Theorie aus dem Westen als Staatsideologie. Es gab kaum einen Kaiser, der atheistisch war. Auch wenn sie nicht wirklich religiös waren, zeigten sie Ehrfurcht vor dem Himmel und bezeichneten sich als „Söhne des Himmels“.

Die kommunistische Staatsideologie richtet sich auch ganz gegen die chinesische Kultur aus Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus, mit anderen Worten gegen das traditionelle chinesische Wertesystem, was „Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Anstand, Weisheit und Ehrlichkeit“ hochhält. Die Kommunisten hingegen halten „Klassenkampf“ und „Proletarische Diktatur“ hoch.

So hat es seit der Gründung der kommunistischen Partei mit Hilfe der russischen Kommunisten auf dem chinesischen Boden so viele politische Kampagnen gegeben wie nie zuvor. Und diese politischen Kampagnen haben 80 Millionen Chinesen umgebracht. Zu der Frage, ob man die Zahl übertrieben hat,  antwortete die Mao-Biografin Chang Jung, „nein, ich glaube nicht. Es können durchaus an die 80 Millionen sein.“ Sie hat jedenfalls in ihrer Mao-Biografie mindestens 70 Millionen aufgezählt, die unter Maos Diktatur umgekommen sind. 38 Millionen Bauern, über 20 Millionen Gefangene, 3 Millionen Reiche, 3 Millionen während der Kulturrevolution, aber während der Kulturrevolution sind mehr Menschen umgebracht worden, sogar von 10 Millionen ist die Rede. Die letzte Kampagne begann im Juli 1999 gegen die buddhistische Meditationsschule Falun Gong, die die drei Prinzipien „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Duldsamkeit“ lehrt.

Im Juli 2001, als das rote Regime mit allen Mitteln das IOC für sich gewann, behauptete der damalige Vize-Ministerpräsident Li Lanqing, dass der Zuschlag für die Austragung der Olympischen Spiele in Peking die Verfolgung von Falun Gong bestätigt hätte. Seitdem werden die 70-100 Millionen Buddhisten weiter verfolgt und sogar als Organspender in Konzentrationslagern gehalten. Die Grausamkeit erinnert mich an die Judenverfolgung in Nazideutschland.

Aber nicht nur die Buddhisten, sondern auch Katholiken, Demokraten, die Umweltschützer usw. werden verfolgt. Seit das rote Regime sich auf  die Olympischen Spiele vorbereitet, werden auch Eigentümer oder Bewohner, die sich gegen die Zwangsumsiedlungen wehren, verfolgt.

Im Namen der Olympischen Spiele haben Zwangsräumungen stattgefunden, die 1.5 Millionen Chinesen zum Umzug zwangen, dabei wurden manche wie die in Peking alteingesessene Familie Ye obdachlos. Durch die Zwangsräumung hat die Familie von drei Generationen ihr Restaurant und ihre Wohnung verloren. Zwei Söhne der Familie wurden verhaftet, weil sie dagegen protestierten.

In der Nähe der Baustelle des kommunistischen Propagandagebäudes (CCTV) harrten bis vor kurzem noch drei Familien aus, an deren Hauswänden geschrieben wurde: „Wenn Olympische Spiele gesendet werden, habe ich mein Obdach verloren“ und „CCTV beraubt uns unseres Eigentums“.

Außerdem wurde im April dieses Jahres eine Anweisung von der chinesischen Stasi zur internationalen Spionage vor den Olympischen Spielen bekannt. Laut der Anweisung mit der Überschrift „Bescheid über die strikte Ausführung von Hintergrund-Untersuchungen der Kandidaten der Olympischen Spiele und Vorspiele“ sollen 43 Kategorien von Menschen weltweit ausfindig gemacht und von den Olympischen Spielen 2008 in Peking ausgeschlossen werden.

Man könnte sagen, alle, die eigene Gedanken und ein Gewissen haben, werden nach dieser Anweisung ausgeschlossen. Der Dalai Lama und seine Anhänger, Römische Katholiken, alle, die sich nicht von der kommunistischen Partei Chinas führen lassen, fallen unter diese Kategorien.

Die Olympiade als Symbol für ein weltweites friedliches Miteinander und der Völkerverständigung darf nicht noch einmal missbraucht werden, diesmal von einem roten Naziregime!

Vor 71 Jahren hat Heinrich Mann auf der Konferenz zur Verteidigung der Olympischen Idee in Paris gesagt:
„Ein Regime, das sich stützt auf Zwangsarbeit und Massenversklavung; ein Regime, das den Krieg vorbereitet und nur durch verlogene Propaganda existiert, wie soll ein solches Regime den friedlichen Sport und freiheitlichen Sportler respektieren? Glauben Sie mir, diejenigen der internationalen Sportler, die nach Berlin gehen, werden dort nichts anderes sein als Gladiatoren, Gefangene und Spaßmacher eines Diktators, der sich bereits als Herr dieser Welt fühlt.“

Als Schriftstellerin, die wie Heinrich Mann das Heimatland verlassen musste, nehme ich ihn als Vorbild, und möchte nicht nur die Olympische Idee verteidigen, sondern auch gegen das kommunistische Verbrechen protestieren. Nicht zuletzt möchte ich auch die deutsche Regierung vor der roten Gefahr warnen. Dieses rote Regime wird nicht nur die Computer der Bundesregierung angreifen!

Ein Gespenst

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus…“, so beginnt „Das kommunistische Manifest“.

Seit 1848 geht das Gespenst des Kommunismus in Europa um und breitet sich im 20. Jahrhundert auf der halben Welt aus. Im Juni 1989 hat das Gespenst seine Macht in China mit dem Pekinger Massaker verteidigt, danach aber musste es die Sowjetunion und Osteuropa aufgeben.

Kurz nach dem 18ten Jahrestag des Pekinger Massakers wurde in Washington DC die Gedächtnisstätte aller Opfer des Kommunismus eröffnet. Der amerikanische Präsident hielt eine Rede und sagte: „According to the best scholarly estimate, Communism took the lives of tens of millions of people in China and the Soviet Union, and millions more in North Korea, Cambodia, Africa, Afghanistan, Vietnam, Eastern Europe, and other parts of the globe.“

Es ist also mittlerweile bekannt, dass über 100 Millionen Menschen unter einem kommunistischen Regime ihr Leben verloren haben, die meisten Opfer sind Chinesen. Denn der Kommunismus basiert auf Bösartigkeit und Hass.

Zu dieser Erkenntnis bin ich durch das Pekinger Massaker gekommen. Nach dem Massaker habe ich mich erst mit der chinesischen Geschichte beschäftigt und konnte feststellen, dass die kommunistische Partei Chinas seit ihrer Gründung, insbesondere seit dem Beginn ihrer Regierung, nie aufgehört hat, ihre Bevölkerung zu terrorisieren.

In den Zwanzigern hat die Sowjetunion ein dutzend linke chinesische Intellektuelle dazu gebracht, eine Zelle der russischen kommunistischen Partei in China zu gründen. Die chinesische kommunistische Partei ist also von Anfang an abhängig von der Sowjetunion, bis zum Bruch nach dem Tod von Stalin in den Sechzigern. Alles, was die russischen Kommunisten gemacht hatten, machten die chinesischen Kommunisten nach und übertrafen sie noch in einigen Gebieten.

Z.B. die Zerstörung der traditionellen Kultur. Sobald die Kommunisten an die Macht kamen, verfolgten sie die Buddhisten, Taoisten usw. Das heißt, nicht nur in Tibet, auch in China haben die Kommunisten alles, was spirituell und heilig ist, zerstört. Die Zerstörung hat zwei Formen. Zu Maos Zeit wurden die Tempel und Klöster einfach zerstört. Nach Maos Tod wurden die Tempel und Klöster zwar wieder aufgebaut, aber nur als Sehenswürdigkeiten, um die Touristen anzuziehen. In den Tempeln und Klöstern dürfen nur Menschen arbeiten, die sich von der KPC führen lassen. Mit anderen Worten, sie sind keine echten Buddhisten und Taoisten, sie tragen nur Kutten.

Auch die chinesische Sprache bzw. Schrift wurde von Grund auf zerstört. Die chinesische Sprache ist eine Symbolsprache und die Schriftzeichen zeigen ihre Bedeutungen. Zum Beispiel, das traditionelle Schriftzeichen „Liebe“ (愛) besteht aus einigen Komponenten, die wichtigste Komponente ist das Schriftzeichen für Herz (心) in der Mitte, aber im modernen Chinesisch wurde das Herz buchstäblich durch einen Stock ersetzt (爱). Dadurch verliert das Schriftzeichen seine wichtige Bedeutung, denn das Schriftzeichen mit dem Herz symbolisiert, dass die Liebe aus dem Herzen kommen sollte.

Die chinesischen Kommunisten hatten zuerst den russischen Kommunisten nachgemacht, die Bevölkerung zu mehr Kindern zu ermutigen, aber die Zwangsabtreibungen und -sterilisierungen, die seit Ende der Siebziger in China stattfinden, hat es in der Sowjetunion nicht gegeben. Der Anwalt Teng Biao in Peking, den ich wegen des blinden Menschenrechtsaktivisten Chen Guangchen kennen lernte, hat in diesem August noch einen Artikel veröffentlicht, in dem es heißt, „jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, gibt es einen Embryo außer Plan, sogar einen Säugling, der von den Geburtenkontrolleuren oder Geburtenhelfern umgebracht wird – mit Medikamenten, mit Scheren, mit Nadeln, mit Händen.“ Das dauert schon dreißig Jahre an.

Chen Guangchen , der sich mit dem Gesetz gegen diesen grausamen „Geburtenplan“ wehrt, wurde letztes Jahr vom Regime wegen angeblicher „Behinderung des Straßenverkehrs“ zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seitdem steht Chen mit vielen anderen Chinesen auf der von der EU geführten Liste der „Prisoners of Concern“.

Während zigmillionen Leben im Mutterleib umgebracht werden, kommen jährlich 0.8 bis 1.2 millionen missgebildete Kinder zur Welt, das sind 4 bis 6 Prozent von den Kindern, die planmäßig in China zur Welt kommen. Der Hauptgrund dafür ist die Umweltverschmutzung, die jährlich 750 tausend Menschen in China das Leben kostet.

Ein Motto der Kommunisten lautet, die Freude ist groß, wenn gegen den Himmel, die Erde und die Menschen gekämpft wird. So hat das Regime seit den Fünfzigern die Bauern dazu gezwungen, 85 tausend Wasserreservoire in China zu bauen, die zu unzähligen Katastrophen geführt haben und noch führen. Im April dieses Jahres gab ein Vizeminister des Ministeriums für Wasserwirtschaftswesen zu, dass diese Reservoire Zeitbomben seien.

Das aktuellste Beispiel ist der größte Staudamm der Welt, der Drei-Schluchten-Staudamm im drittlängsten Strom der Welt- Yangzijiang.

Die Drei-Schluchten gehören zu den größten Sehenswürdigkeiten in China. Im Jahr 1986, als ich noch Studentin war, hatte ich schon deutsche Touristen auf dem Schiff durch die Drei-Schluchten begleitet.

Gegen die Warnung des chinesischen Experten Huang Wanli und anderer hat das Regime das Bauprojekt als Propagandaprojekt mit 130 Milliarden britische Pfund finanziert, um seine Macht zu zeigen. Ende 1994 wurde das Bauprojekt von dem damaligen Premierminister Li Peng eröffnet, bis heute ist das Projekt noch nicht ganz fertig gestellt. Mehr als 1.3 Millionen Menschen mussten gegen ihren Willen umziehen. Fu Xiancai, der wegen seines Interviews mit einem ARD Korrespondenten halb tot geprügelt wurde, gehört zu den Opfern dieses Bauwerkes.

Während der Spezialkatalog von Dertour noch damit wirbt, „Sie werden begeistert sein von den beachtlichen Ausmaßen dieses Bauwerkes“, hat am 25. September in Wuhan bereits eine Konferenz stattgefunden, die vor der großen Umweltkatastrophe durch den Staudamm warnt. Das heißt also, dass die Umweltkatastrophen, die durch den Staudamm entstanden sind und entstehen, mittlerweile nicht mehr zu leugnen sind.

In der Tat haben sich bereits kleine und große Katastrophen in dieser Gegend bemerkbar gemacht. Und größere Katastrophen werden noch befürchtet. Sogar die Schifffahrten auf dem Fluss, insbesondere durch die Drei-Schluchten, könnten gefährdet werden, wegen der angesammelten Erde im Flussbecken und des Erdrutsches am Ufer.

Ein Bruch

Seit das Gespenst des Kommunismus von der Sowjetunion aus das Reich der Mitte mit seiner über 5000 Jahre alten Geschichte überfallen hat, entsteht auf dem chinesischen Boden eine kommunistische Unkultur, die als Parteikultur bezeichnet wird und den Gegensatz zur chinesischen Kultur bildet.

Rot-China stellt den einzigen Staat in der chinesischen Geschichte dar, welcher eine unmoralische Theorie aus dem Westen zur Staatsideologie und einzigen Wahrheit gemacht hat, während in jeder Dynastie auf chinesischem Boden die drei Weisen Konfuzius, Lao-tse und Buddha Shakyamuni verehrt wurden. Während die beiden letzteren Weisen religiöse Richtungen vertreten, fungiert die Lehre des ersten als Staatsethik oder Moralkodex. Die Beamten wurden nach ihren guten Kenntnissen in den konfuzianischen Schriften ausgewählt, so dass auch Söhne armer Familien Karriere machen konnten und durften. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Anstand, Weisheit und Ehrlichkeit sind konfuzianische Prinzipien. Sie wurden den Kindern in Versen und Geschichten beigebracht. „Zu wissen was man weiß und was man nicht weiß, das ist Wissen.“ „Was man selbst nicht angetan haben will, soll man auch anderen nicht antun.“ Das waren berühmte Worte von Konfuzius.

Diese Kultur aber wurde von den linken Intellektuellen wie Lu Xun als menschenfressend abgetan. Mit seinen antikonfuzianischen und unmoralischen Schriften hat Lu Xun einen großen Beitrag dazu geleistet, dass die Kommunisten unter der Führung von Mao die Macht in China ergriffen, weswegen er von Mao zum Heiligen des modernen Chinas ernannt wurde.

Der berühmte Spruch von Lu Xun hingegen lautet: Hunde, die ins Wasser gefallen sind, muss man tüchtig schlagen! Der menschenfeindliche Lu Xun, der auch Katzen misshandelt, wird aber vom Regime zur roten Leitfigur erhoben, wie Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao. Jeder Schüler in der VR. China muss ihre Werke lesen und auswendig lernen, um die Prüfungen zu bestehen. Es ist deshalb kein Wunder, dass in der VR. China die Menschen bei den ununterbrochenen politischen Kampagnen brutal behandelt, teilweise zu Tode geschlagen werden, selbst wenn es sich dabei um den kommunistischen Staatspräsidenten Liu Shaoqi handelte.

Während die drei Weisen durch rote Götzen ersetzt wurden, wurde auch alles Mögliche ideologisiert oder rot gefärbt, wie beispielsweise, der Kalender. Die traditionellen chinesischen Feiertage sind im traditionellen Wertsystem entstanden, wie die auf dem christlichen Glauben basierten Feiertage im Westen. Aber die Feiertage in China heute sind bis auf ein Fest alle auf die Kommunisten zurückzuführen. Der 1. Oktober, an dem die Volksrepublik China von Mao ausgerufen wurde, ging als Nationalfeiertag in den heutigen Kalender ein, welchen wir Exilchinesen als Nationaltrauertag betrachten. Weitere rote Feiertage sind der 1. Mai als Arbeitstag, der 1. August als Gründungstag der Volksbefreiungsarmee, der 1. Juli als Gründungstag der KPC usw.

All das führt dazu, dass die heutigen Chinesen kaum eine Chance haben, die eigene Kultur kennen zu lernen. Dennoch konnte das Regime nicht alles zerstören. Auch wenn die Buddhaskulpturen überall im Land meistens kaputt gemacht wurden, waren sie da und strahlten uns an. Und ich bin froh, dass ich durch mein Philosophie-Studium in Deutschland dazu kam, mich mit der chinesischen Kultur zu beschäftigen.

Ein Schauplatz

Im Jahr 1417, in China war es die Zeit der Ming-Dynastie, wurde ein Platz vor dem Kaiserpalast erbaut, der das Tor zur Fortsetzung des Himmels (Chengtianmen) hieß. Der Name sollte verdeutlichen, dass es dem himmlischen Befehl folgt. In der Ming Dynastie und der darauffolgenden Qing-Dynastie diente der Platz deshalb dazu, die neuen Kaiser zu krönen und liegt auf dem Weg zum Ahnentempel. Das Tor des himmlischen Friedens steht zwischem dem Platz und dem Kaiserpalast. Bis 1911, als der letzte Kaiser abdanken musste, war der Platz nicht öffentlich zugänglich.

Spätestens am 4. Juni 1989 wurde dieser Platz im Westen als der Platz des himmlischen Friedens (Tiananmen) weltweit bekannt, durch die blutige Säuberungsaktion des Regimes auf dem Platz, das Tiananmen-Massaker, was ich Pekinger-Massaker nenne, weil sich das Massaker nicht nur auf den Platz beschränkte. Vor dem Massaker hatten sich Millionen Demonstranten, hauptsächlich Studenten auf diesem Platz gesammelt, um das Regime zu einem Dialog zu bewegen. Leider ließ sich das Regime nicht dazu bewegen, auch wenn die Studenten in Hungerstreik traten. Die Studenten waren nicht gegen das Regime, sondern gegen die Korruption. Sie hatten sogar drei gleichaltrige Berufstätige dem Regime ausgeliefert, die das Mao-Portrait am Tiananmen-Tor mit Eiern beworfen hatten. Die drei jungen Männer, die den kommunistischen Mao-Kult beenden wollten, wurden nach dem Massaker jeweils zu lebenslänglich, 20 Jahren und 16 Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile werden sie auch von den noch lebenden Studenten als „Tiananmen-Helden“ anerkannt.

Der Tiananmenplatz ist nach dem Massaker ein streng bewachter Ort. Geheimpolizisten lauern auf alle Besucher, insbesondere an den so genannten „empfindlichen Tagen“, wie am Jahrestag des Massakers. Denn es gibt immer mutige Chinesen, die auf den Platz gehen, um zu protestieren, wie Wang Wanxing, der erste chinesische Regimekritiker, der aus der Psychiatrie ins deutsche Exil entlassen wurde.

Am 3. Juni 1992, zum dritten Jahrestag des Massakers, entrollte er auf dem Tiananmenplatz ein Plakat, mit dem er das Regime aufforderte, das Massaker aufzuarbeiten und die Demonstranten zu rehabilitieren.

Mit seiner Aktion hatte er die Studenten an einem für den 4. Juni 1992 geplanten Protest gehindert und dadurch vor einer Festnahme bewahrt. Er selbst wurde sofort zusammen mit zwei japanischen Reportern festgenommen. Für diese Heldentat wurde Wang in eine der landesweit etwa 25 kommunistischen Kliniken, die die Dissidenten als Geisteskranke behandelten, eingeliefert. Diese psychiatrischen Kliniken heißen „Ankang“, was „Friede und Gesundheit“ bedeutet.

Dort wurde Wang mit Elektroschocks, Zwangsernährung und antipsychotischen Medikamenten so lang behandelt, bis das Regime sich im Jahr 2005 mit seiner Freilassung beim Ex-Bundeskanzler Schröder einschmeicheln konnte.

Als der Tiananmenplatz im Jahr 1958 nach Maos Anweisung zum größten Platz auf der ganzen Welt umgebaut wurde, hat man bei der Planung bereits berücksichtigt, dass der Boden einen 60 Tonnen schweren Panzer tragen kann und der Platz als Militärflughafen dienen kann. Der Platz ist 440 tausend m² groß. Der rote Platz in Moskau – sein Vorbild – ist nur ein Fünftel davon. Mitten auf dem Platz steht das erste kommunistische Bauwerk, das so genannte „Denkmal an die Volkshelden“, dessen Grundstein im Jahr 1949 gelegt und das erst im Jahr 1958 fertig gestellt wurde. An die unzähligen Opfer, die von den Kommunisten zum Krieg gezwungen wurden, soll erinnert werden, aber ohne Namen.

Um aus dem alten kaiserlichen Platz den größten Platz auf der Welt zu machen, hat das Regime den Plan der Architekten abgelehnt, der die alte Stadtmauer, die Stadttore usw. hätte bewahren können.

Die Kommunisten wollen keine alte chinesische Architektur, sondern ihre neue Macht zeigen. Ab 1949 fand jedes Jahr eine große Militärparade auf diesem Platz statt. Um das zehnte Jubiläum ihrer Machtergreifung in China zu feiern, wurden im Sommer 1958 über dreißig Architekten im Land zusammen gerufen, um innerhalb eines Monats zehn große Bauprojekte auf diesem Platz zu entwerfen, die dann innerhalb von zehn Monaten fertig gestellt wurden. Denn da befand sich das ganze Land gerade unter kommunistischer Führung in der politischen Kampagne „der große Sprung nach vorn“.

Dennoch wurden die engagierten Architekten, die nicht der Kampagne gegen die Intellektuellen im Jahr 1957 zum Opfer gefallen waren, meistens wie der Chefarchitekt Liang Sicheng für das „Denkmal an die Volkshelden“ Opfer der darauffolgenden Kampagne Kulturrevolution. Liang und seine Frau wurden geschlagen, ihre Wohnung wurde ausgeplündert.

Die Witwe von Liang schrieb, dass sie ein Bild von einem Bronzetiger aus der Han-Dynastie bewunderten, aber statt zu sagen, wie schön es ist, hatten sie gesagt, wie giftig es ist, um sich vor weiteren Attacken zu schützen.

Am 1. Oktober 1959 fand die letzte Militärparade zu Maos Lebzeiten statt, denn „der große Sprung nach vorn“ verursachte eine große Hungersnot (1959-1961), die ca.40 Millionen Menschen dahinraffte und auch einen Machtkampf unter den Kommunisten entfachte, so daß Mao eine „große proletarische Kulturrevolution“ brauchte, um mit Hilfe der Jugendlichen die Macht wieder an sich zu reißen.

Und Mao wurde dann im Jahr 1966 auf diesem Platz von Millionen Jugendlichen zugejubelt, die ihn wegen der roten Propaganda für „den rettenden Stern“ hielten. Nachdem Mao seinen Gegner, den Staatspräsidenten Liu Shaoqi erledigt hatte, schickte er die roten Gardisten ohne Schulabschluss aufs Land, mit schönen hohlen Parolen so wie „Auf dem Land ist ein breiter Himmel und Erde. Dort kann man eine große Leistung vollbringen“. Die Jugendlichen wussten nicht, dass der Bauernsohn Mao als Jugendlicher das Land verließ.

Zehn Jahre später, kurz vor Maos Tod fand auf diesem Platz aber auch der erste öffentliche Protest gegen Mao statt. Die Demonstranten waren zumeist die ehemaligen roten Gardisten.

Im Jahr 1984 zeigte Deng Xiaoping, der den Machtkampf nach Maos Tod gewann, wieder mit einer Militärparade seine Macht, anlässlich des 35. Jubiläums, während er die Demonstranten ins Gefängnis warf.

Das gleiche machte Jiang Zemin im Jahr 1999 nach, anlässlich des 50. Jubiläums, nachdem er am 20. Juli Falun Gong, die beliebteste Meditationsbewegung in China, verbot und die Falun Gong Praktizierenden in den Sportstadien gefangen hielt. Gleichzeitig fanden auf dem Tiananmenplatz auch unzählige Proteste der Falun-Gong Praktizierenden mit Transparenten, Flugblättern und Parolen statt, obwohl die friedlichen Proteste immer sofort mit brutalen Verhaftungen beendet wurden.

Am 23. Januar 2001 wurde eine Selbstverbrennung auf dem Tiananmenplatz inszeniert, um mit Hilfe der Medien zu beweisen, dass Falun Gong gefährlich sei und die Praktizierenden in den Selbstmord treiben könne.

Trotzdem zog das IOC Peking den Mitbewerbern Paris, Toronto, Osaka und Istanbul vor und gab dem Regime am 13. Juli 2001 das Recht zum Ausrichten der Olympischen Spiele 2008.

Am 20. November 2001 fand auf dem Tiananmenplatz der berühmte Protest von Falun-Gong Praktizierenden statt.

An diesem Tag trafen sich 36 Falun Gong Praktizierende aus verschiedenen Ländern auf dem Platz. Daniel Ulrich schrieb, „Wir haben uns auf dem Tiananmenplatz versammelt, anschließend meditiert und ein Transparent hochgehalten mit der Aufschrift: Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. Nach ca. dreißig Sekunden kamen schon Polizeibusse auf uns zugerast und umstellten uns. Sie rissen sofort das Transparent herunter und fingen an, uns auf brutale Weise in die Polizeibusse zu verfrachten.“

Einige Deutsche waren auch dabei und lernten dadurch die Brutalität der kommunistischen Polizisten kennen, die sie sich im eigenen Land als Falun Gong Praktizierende überhaupt nicht hatten vorstellen können. Zumal für sie Falun Gong, das ihnen Gesundheit und Ausgeglichenheit schenkt, die chinesische Kultur repräsentiert.

Am 8. August 2007 wurde in ganz China der Start des Countdowns für die Olympischen Spiele gefeiert. Das Regime konnte mit einer spektakulären Feier auf dem Tiananmenplatz eingeladene Gäste wie den Präsidenten Jacques Rogge beeindrucken. Aber der Bericht, den Amnesty International (AI) am gleichen Tag in London veröffentlichte, zeigt deutlich, dass das Regime sein Versprechen nicht hält und die Menschenrechtslage in China noch schlechter geworden ist.

Ich frage mich, ob Jacques Rogge auch das gewaltige Mausoleum auf dem Platz ignorieren konnte, wo der mumifizierte Leichnam von Mao seit 1976 liegt, der für den Tod von 80 Millionen Menschen verantwortlich ist.

Ein Dorf

Unter der kommunistischen Führung hat es in China viele unvorstellbare Neuigkeiten gegeben. In Rot-China ist es z.B. möglich, dass ein Sportler oder ein Künstler zum General ernannt wird, wenn er seine Leistung der kommunistischen Partei dankt. So ist der Pingpong-Spieler Wang Tao, der eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen (1992) gewann, ein General geworden, auch wenn dieser General nur die Pingpong-Mannschaft des kommunistischen Militärs leiten kann.

Vor 1949 hätte sich auch kein Chinese jemals vorstellen können, dass ein Analphabet wegen seiner Knochenarbeit auf dem Land zum Stellvertretenden Ministerpräsidenten aufsteigen kann. Und dieser Bauer kommt aus dem Dorf Dazhai, welches in westlichen Medien als Maos Lieblingsdorf bekannt wurde.

An diesem Dorf lässt es sich zeigen, wie die kommunistische Partei das Unmögliche möglich macht und was für Unsinn dabei herauskommt.

1924 folgte Chen Yonggui (1914-1986) seinem Vater, einem armen Landarbeiter in das Dorf Dazhai. Nach dem Selbstmord seines Vaters wuchs er als Waise bei einem reichen Bauern in Dazhai auf. Im Jahr 1948 trat Chen in die KP Chinas ein.

Nach der Gründung Rot-Chinas (1949) wurden Grundbesitzer enteignet und davon wurden über 2 Millionen umgebracht. Eine reiche gebildete Schicht im Land wurde somit komplett vernichtet. Chen als Parteimitglied in Dazhai, wo fast alle Bewohner zu zwei Familien gehörten, wurde der Handlanger der KP und folgte der Leitlinie der KP. Er brachte das Dorf in der Kampagne „Der große Sprung nach vorn“ zu einer „Volkskommune“, in der gemeinsam gearbeitet und gegessen wurde.

Für sein Engagement wurden Chen auch Sonderrechte eingeräumt, so durfte er beispielsweise als „Arbeitsmodell“ beim 10. Jubiläum des Nationalfeiertages auf dem Tiananmen-Platz mitfeiern. Chens größte Leistung war, dass er als Parteisekretär in Dazhai seine Untertanen, einschließlich junge Mädchen dazu gezwungen hatte, mit ihm gemeinsam aus dem Berg neues Ackerland zu gewinnen, mit anderen Worten, Terrassenfelder auf dem Berg anzulegen.

Guo Fenglian(*1947), die als 16 jähriges Mädchen dabei war, erzählte, dass sie mit über 20 gleichaltrigen als „Kampfgruppe von eisernen Mädchen“ wie die Männer von vier Uhr morgens bis 23 Uhr abends unter der Leitung von Chen im Einsatz war. Dabei gab es wenig zu essen und das Wetter war schlecht. Das Essen, was sie an der Baustelle bekam, war so gefroren wie Eis. Guo aber nahm Chen als Vorbild und stieg auch als „Arbeitsmodell“ auf. Im Jahr 1962 veröffentlichte Mao ein Gedicht, in dem die Frauen gelobt werden, die wie Guo als Milizionärin mit Gewehr auf Schulter angeblich „die Miltärausrüstung der schönen Kleidung vorziehen“. Vierzig Jahre später, gab Guo in einem Interview das Gegenteil zu. Aber während der Kulturrevolution diente Guo mit 22 eisernen Mädchen von Dazhai als Vorbild für Millionen Mädchen.

Auch wenn Chen den roten Wahnsinn, „wagen, der Sonne und dem Mond zu trotzen, um einen neuen Himmel zu schaffen“, in die Tat umsetzte, gewann er kein neues Ackerland, obwohl er mit seinen Untertanen über zehn Jahre lang hart gearbeitet hatte. Denn im Jahr 1963 machte eine Überschwemmung nicht nur neues Ackerland, sondern auch die alten Häuser in Dazhai zunichte. Die Bauern in Dazhai verloren alles, wurden noch ärmer als zuvor, trotz harter Arbeit.

Ein alter Bauer weiß, dass man nicht gegen die Natur, sondern mit der Natur lebt, aber ein roter Bauer wie Chen wollte von der alten Weisheit nichts wissen. Er blieb dabei, dem Naturgesetz weiter zu trotzen. Gleichzeitig wollte er auch aus eigener Kraft die Katastrophe überwinden und auf jegliche Hilfe verzichten, trotz der großen Misere in Dazhai. Aus dem Leiden seiner Untertanen hat Chen ein großes Kapital für seinen Aufstieg geschlagen.

Ab 1964 wurde Dazhai landesweit als Vorbild in der kommunistischen Kampagne „Sich auf die eigene Kraft stützen“ propagiert, auch wenn die kommunistische Armee insgeheim Dazhai große Hilfe leistete. Chen wurde zum Abgeordneten des Kommunistischen Volkskongresses ernannt. Während der Kulturrevolution (1966-1976), welche die Volkswirtschaft fast zum Zusammenbruch brachte, wurden Chen und Dazhai als Vorbild propagiert. Wer Chen oder Dazhai kritisierte, der wurde ins Gefängnis geworfen, 18 Jahre war die mir bekannte höchste Strafe. Im Jahr 1975 erreichte Chens rote Karriere den Höhepunkt, er wurde zum Stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt.

Chen mit seinem um die Stirn gewickelten weißen Handtuch wurde landesweit bekannt. Alle mussten von Dazhai lernen, auch ich als neunjährige Schülerin in der Stadt. Wir mussten aufs Land gehen, um Bauern auf dem Land zu helfen, statt in der Schule zu lernen.

Laut der Propaganda hätte sich Dazhai durch heroische Taten aus der Armut befreit und trotz einer schwer zugänglichen Landschaft Grundlagen für eine Mechanisierung der Landwirtschaft geschaffen.

Vor Dengs Zeit kletterten die Besucher massenweise in Kolonnen singend zu den Terrassenfeldern. Dazhai wurde auch als „das sozialistische neue Land“ allerlei Staatsgästen und ausländischen Touristen vorgeführt. Als einziges Dorf wurde Dazhai auf allen Landkarten verzeichnet.

Im Jahr 1969, dem Höhepunkt der Kulturrevolution, zählte die Dorfchronik mehr als 3.7 Millionen Besucher.

Zehn Jahre später aber war es vorbei. Im ganzen Jahr 1980 wurden nur noch 16 Besucher gezählt.

Denn Dazhai ist ein hohles Modell, welches nur Chen und Guo Sonderrechte eingebracht hat, während die Bauern in Dazhai ein viel härteres Leben unter ihrer Leitung führten. Früher konnten auch die Armen unter ihnen wenigstens noch ein häusliches Glück genießen und das Land verlassen, wenn sie wollten. Aber in Rot-China durften sie als Bauern nicht umziehen, geschweige denn Betteln gehen. Sie mussten ihr Familienleben dem roten Wahnsinn opfern und in gleicher Armut leben, wenn sie nicht an Hunger starben. Guo erzählte, dass sie ihren Mann durch die KP vermittelt bekam und ihre zwei Söhne die Mutterliebe nicht kannten, weil sie als Arbeitsmodell sich nicht um die Söhne kümmern konnte.

Jedenfalls so bald Deng Xiaoping, der Pragmatiker in der KP mit Hilfe der Intellektuellen die Macht in der Partei gewann, wurde Dazhai als Modell abgeschafft, denn durch die Kampagne „Lernen von Dazhai“ geriet die Landwirtschaft erst recht in Stagnation, die Versorgung der Bevölkerung wurde immer schwieriger. Genau wie durch die Kampagne „Der große Sprung nach vorne“ wurde ein großer Schaden durch „Lernen von Dazhai“ angerichtet.

Chen und Guo wurden auch als Sündenböcke für den roten Wahnsinn aufgeopfert. Beide wurden einer harten Kampagne ausgesetzt. Die Propaganda um Dazhai, für die sie sich als Analphabeten nicht verantworten konnten, wurde dennoch auf sie zurückgeführt. Guo, die als Chens Nachfolger Dazhais Parteisekretärin wurde, musste 1980 Dazhai allein ohne Familie verlassen.

Während Chen in Peking einsam starb, wurde Guo mehr als 10 Jahre lang kaltgestellt. 1991 wurde sie wieder gebraucht, um Dazhai aus der Vergessenheit und aus der Armut zu befreien, wie sich der kommunistische Machthaber wünschte.

Diesmal sollte Guo als Parteisekretärin in Dazhai nicht den Kampf gegen die Natur führen, sondern zum roten Markt beitragen, wie die aktuelle kommunistische Politik verlangte. Unter ihrer Leitung wurde dann aus dem Dorf ein Unternehmen, welches ihre Familie reicher als alle anderen machte. Schließlich ist sie seit 1978 Mitglied im Ständigen Ausschuss des kommunistischen Parlaments. Aus einer der höchsten politischen Positionen Rot-Chinas konnte Guo sich viele Sonderrechte erlauben, solange sie Dengs Richtlinie folgte.

Aus Maos armem Lieblingsdorf war ein reiches Unternehmen a la Deng geworden, welches hauptsächlich Textilien und Spirituosen unter dem Markennamen Dazhai herstellt. Im Jahr 1992 begann Dazhai, sich im Tourismus zu versuchen, weil der Spitzenfunktionär Zhu Rongji beim Besuch in Dazhai sagte, der Tourismus würde mehr Geld einbringen als einige Fabriken.

Nach Dengs Tod und Zhus Abgang ist Guo weiterhin bemüht, der aktuellen Richtlinie der KP zu folgen. So hat sie im Jahr 2001 auch einige Projekte finanziert, mit denen sich das Regime um die Olympischen Spiele bewarb, darunter das Projekt, „Die chinesischen Bauern unterstützen Peking bei der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2008“. Im Interview sagte sie, China braucht Propaganda, Dazhai braucht auch Propaganda. Sie gab an, 280 tausend Euro für die Bewerbung um die Olympischen Spiele spendiert zu haben. Das heißt, das einst naive Bauernmädchen, das nur Landarbeit kannte, ist mittlerweile ein tüchtiger Funktionär geworden, der genau weiß, wie Rot-China funktioniert.

Dennoch gab es Intellektuelle, die über Dazhai nachdachten, dazu gehört Wu Si (*1957). Wu Si kam als Pekinger nach dem Schulabschluß aufs Land und wurde als 19 Jähriger der Vizeparteisekretär eines Dorfes. Die Nachricht, dass man wieder durch Aufnahmeprüfung zum Studium kommt, hörte er in Dazhai, als er im Jahr 1977 vor Ort von Dazhai lernen wollte. Dennoch wollte er zuerst von Dazhai lernen, und dann im folgenden Jahr an der Aufnahmeprüfung teilnehmen. Nach seinem Studium wurde Wu Journalist bei der Zeitung, die sich Chinesische Bauernzeitung nennt. Im Jahr 1993 hat Wu ein fundiertes Buch über Chen („Der Auf- und Abstieg von Chen Yonggui – ein Experiment, China zu verändern“) veröffentlicht, um den Grund für die Niederlage der Kampagnen „Lernen von Dazhai“ und “ Volkskommune“ zu erforschen.

Im Jahr 2003 wurde Wu zu einer Geldstrafe verurteilt, auch wenn er Belege für seine Behauptungen angeben konnte, die Chens Familienangehörigen nicht gefielen. Denn um diese Zeit wurde Chen wieder rehabilitiert, weil Dazhai unter der Führung von Guo wieder als Vorbild gilt.

So durfte eine Gedenkbriefmarke von Guo im Jahr 2004 in China erscheinen, während das Regime die österreichische Post daran hinderte, eine Gedenkbriefmarke zum 70. Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama zu veröffentlichen.

Deshalb besuchte im Jahr 2005 wieder ein Spitzenfunktionär, Wu Guanzheng Dazhai, wie es vor 1980 und nach 1991 häufig der Fall war und pries, „Die kommunistische Organisation in Dazhai ist eine starke Organisation, das Volk in Dazhai ist ein Heldenvolk, in jeder historischen Epoche hat die kommunistische Organisation in Dazhai als Kampfburg gedient.“

In diesem Jahr hat Guos Sohn als Bauherr an der gleichen Stelle, an der früher ein kleiner Tempel von Dazhai stand, einen viel größeren Tempel errichtet, um mehr Touristen zu gewinnen. Für die Anlage hat er drei Millionen Euro ausgegeben, während die 510 Bewohner im Dorf jährlich 410 Euro im Durchschnitt einnahmen.

Für Kommunisten waren Religionen Opium für das Volk. Nun aber zählt nichts mehr als Geld zu verdienen.
Es ist ein Witz, dass Dazhai 30 Jahre nach dem Tod von Mao eine Kultstätte für Buddha baute, weil Maos Lieblingsdorf weniger Touristen anzieht als eine buddhistische Tempelanlage.

Der Widerspruch ist zwar vielen aufgefallen, aber eine Debatte über den „Tempelbau zu Dazhai“ durfte nicht geführt werden, insbesondere kurz vor dem am 15. Oktober 2007 beginnenden 17. Parteitag der KP.

Unter Guos Führung wollen sich die Dörfler eine Reiseagentur zulegen, um ihre rote Geschichte, die allein nicht genug Touristen anzog, mit Hilfe der Tempelanlage zu vermarkten. Auch die berühmten Terrassenfelder, die als Vorzeigeobjekte dienten, sollen für den Tourismus wieder aufgebaut werden, aber nicht mehr aus eigener Kraft, sondern für 1,4 Millionen Euro durch ein Bauunternehmen.

Auf jeden Fall strömen durch die Tempelanlage wieder mehr Menschen nach Dazhai, auch wenn an dessen Eingangstor noch Maos Parolen: „Vertrauen auf die eigene Kraft“ und „Harter Kampf“ stehen.

Eine Parallele

Georg Dreyman heißt der bespitzelte Dramatiker in dem deutschen Film „Das Leben der Anderen“, welcher in Rot-China als Raub-DVD verbreitet wurde.

Darüber hat im April 2007 der bekannteste Dramatiker in Rot-China Sha Yexin den Artikel „Drei Frauen haben ihn mir empfohlen und ich empfehle ihn allen Männern“ veröffentlicht, in dem die Parallele zwischen ihm und Dreyman, zwischen der Ex-DDR und der VR. China zum Vorschein kommt. Drei gebildete Frauen haben an drei aufeinander folgenden Tagen ihn angerufen und ihm den Film empfohlen, weil ihnen allen Sha wie Dreyman vorkam.

Sha schrieb: „Was für ein toller Film mag sie dazu bewegt haben, ihn mir so warmherzig und dringend zu empfehlen? Nur weil die Hauptrolle des Filmes den gleichen Beruf ausübt wie ich? Ich denke, sie sind alle scharfsinnige und intelligente Frauen, es muss einen tiefen Sinn geben, wenn sie alle so ernst mir den Film empfehlen“ „Ich schloss mich im Arbeitszimmer ein, schaltete das Telephon und Handy aus, schaute mir die DVD am Computer an. Tatsächlich, ich wurde erschüttert…“

„In der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts hat Hitler mit Konzentrationslagern den grausamsten Terror produziert, während die deutschen Kommunisten mit Stasi den tiefsten Terror produzierten. Nachdem ich den Film gesehen habe, wird es mir natürlich klar, warum meine drei Freundinnen mir so dringend den Film empfahlen. Natürlich bin ich nicht so einfältig zu meinen, dass der Film mein Leben darstellt, aber ich bin der Meinung, dass es in dem Film nicht nur um die Geschichte der Ex-DDR geht, in jedem Polizeistaat ereignet sich die gleiche Geschichte! Ich denke, darin liegt der tiefe Sinn der Empfehlung meiner drei Freundinnen, und darin liegt natürlich auch meine Motivation, den Film an alle Männer weiter zu empfehlen.“

Sha gehörte wie Zhang Yimou zu den Künstlern, die in den Achtzigern bekannt wurden, denn nach Maos Tod und vor dem Pekinger-Massaker war es eine relativ freie Periode in Rot-China, wegen den beiden liberalen Spitzenfunktionären Zhao Ziyang und Hu Yaobang.

Deshalb konnte Sha im Jahr 1985 als 46 Jähriger sowohl in die KP Chinas aufgenommen, als auch zum Intendanten des „Shanghaier Volkskunst Theaters“ ernannt werden.

Davor hatte Sha mit seinen Veröffentlichungen immer wieder Strafe geerntet. Die erste Strafe bekam Sha als 23 Jähriger, weil er einen französischen Musiker verteidigte, als dieser von Yao Wenyuan kritisiert wurde. Yao war ein linientreuer Schreiber, der nach Maos Tod (1976) als Sündenbock zur „Viererbande“ verdammt wurde und noch Gefängnis-Strafe erhielt. Aber im Jahr 1963 wurde der junge Sha so eingeschüchtert und eingetrichtert, dass er zum Schluss selbst auch der Meinung war, dass er wirklich Fehler gemacht hätte, und studierte fleißig rote Schriften, um nie wieder Fehler zu machen. Dennoch konnte Sha sich nicht vor Strafen retten, auch nachdem er zum Intendanten aufgestiegen war.

Das Pekinger-Massaker stellte in Shas Leben einen Wendepunkt dar, wie dies bei vielen Chinesen der Fall war. Darüber gab ein anderer Artikel von Sha „Mein Theater im politischen Trauerspiel“ (Juni 2007) Auskunft: Anfang 1989 wurde Sha für sein Theaterstück „Jesus, Konfuzius und Lennon“ vom Hamburger Theaterfestival eingeladen. Im Juli sollte dieses Stück in Hamburg aufgeführt werden. Alles war vorbereitet, auch die Karten waren verkauft. Aber Sha mit seiner Mannschaft wurde verboten, der Einladung nach Hamburg zu folgen. Denn niemand konnte garantieren, dass Sha und seine Mannschaft nicht die Chance nutzen würden, um Asyl zu beantragen. Schließlich hatten etliche Intellektuelle, die gerade im Ausland waren, das Regime kritisiert, öffentlich ihre Austritte aus der KP erklärt und Asyl beantragt, wie der spätere Nobelpreisträger Gao Xingjian. Im Jahr 1991 wurde Sha noch einmal verboten, einer Einladung nach München zu folgen, um dort sein Theater aufzuführen, weil der Gastgeber auch den Dalai Lama einlud.

Erst im fünften Jahr (1995) nach der deutschen Einheit durfte Sha mit dem Shanghaier Theater nach Hamburg kommen, um ein anderes Stück von ihm aufzuführen. In dem erst genannten Artikel schrieb Sha über seinen Besuch in Berlin: „Ich habe mich lange am Brandenburger Tor und an der gefallenen Berliner Mauer aufgehalten. …Ich habe nicht nur einige Bilder von der Berliner Mauer, sondern auch ein Stück der Mauer gekauft. Das ist ein handgroßes Stück Beton, darauf sind noch Spuren von Schlagwörtern, die mit roter Farbe an die Mauer geschrieben wurden. Sie sehen wie Blutspuren aus, die Blutspuren der Flüchtlinge. Als die Flüchtlinge versuchten, die Berliner Mauer zu durchbrechen, war dieses große, feste, lange und kalte Mauerwerk bereits in ihren Herzen zusammengebrochen, weil sie von dem Moment an nicht mehr gehorchten, nicht mehr zu terrorisieren waren, gleichzeitig leisteten sie noch mit ihrem Mut, ihrer Würde und ihrem Leben ihm den Widerstand, um es zu zerstören, egal ob es ihnen gelingt oder nicht. Dreyman in „Das Leben der Anderen“ ist eigentlich ein Dramatiker im System, er liebt das Land, ist nie gegen die Partei, er ist ein gehorsamer Bewohner hinter der Berliner Mauer. Als er sich empört erhob und begann, über den Selbstmord der Künstler in der Ex-DDR zu schreiben und dann den Artikel insgeheim in der BRD veröffentlichen ließ, überstieg der Dramatiker hinter der Mauer bereits die Berliner Mauer mit seinem Geist, auch er gehorchte nicht mehr, war nicht mehr zu terrorisieren, auch er leistete ihr mit seinem Mut, seiner Würde und seinem Leben den Widerstand, um sie zu zerstören. Diese Mauer ist in seinem Herzen zusammengebrochen, ist bereits ein Splitter. Als die Berliner Mauer am 9.11.1989 endlich zu schwanken begann, der erste Stoß kam von der gemeinsamen Kraft der Flüchtlinge und Dreymans seit 28 Jahren, das war die erste Treibkraft.“

Wenn man Shas Werk und Leben kennt, dann kann man behaupten, dass er in den folgenden Worten von sich spricht: „Dreyman war kein Feind dieses Systems, aber dieses System hielt ihn für einen zu überwachenden ,imaginären Feind“, … endlich hat er die Ungerechtigkeit und den Terror des Systems am eigenen Leib erfahren, so wurde aus dem ,imaginären Feind“ erst ein ,echter Feind“. Terror lässt einen befürchten, kann einen auch bestärken, Terror lässt einen aufgeben, kann einen aber auch herausfordern. Das totalitäre System produziert ununterbrochen Furcht, ununterbrochen ,imaginäre Feinde“, schließlich ununterbrochen Feinde und Totengräber dieses Systems.“

Wie Dreyman hat sich Sha mühsam von der KP befreit, auch wenn er noch nicht öffentlich seinen Austritt erklärte. Dafür aber hat Sha im August den offenen Brief von vierzig chinesischen Intellektuellen im Land unterschrieben, der das offizielle Olympia-Motto „Eine Welt – ein Traum“ aufnahm, um aus ihm die Forderung abzuleiten: „Ein Standard für Menschenrechte!“

Der Brief richtet sich an Staats- und Parteichef Hu Jintao, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, sowie UNO-Menschenrechtskommissarin Louise Arbor. Damit fordern die Unterzeichner eine Amnestie für politische Gefangene, die Rückkehrerlaubnis für Exil-Chinesen, Pressefreiheit, gerechte Entschädigungen für Zwangsumgesiedelte, freie Gewerkschaften sowie ein unabhängiges Gremium zur Aufsicht über alle olympischen Finanzausgaben.

Gleichzeitig fiel mir auf der vom Regime blockierten Internetseite (www.boxun.com) auch Shas Blog auf. Dort habe ich meinen ersten Blog auf Chinesisch seit 2003. Bis heute (1.11.2007) wurde mein Blog 358870 mal geöffnet, während Shas Blog 33158 mal geöffnet wurde. Daran ist zu erkennen, dass Sha später als ich auf dieser Internetseite veröffentliche, die chinesische Intellektuelle weltweit verbindet.

Sha dort zu treffen, ist ein Zeichen dafür, dass das rote Regime wirklich am Ende ist, denn Sha war wirklich rot.
Um den vorliegenden Abschnitt zu schreiben, habe ich fast alle Artikel von Sha im Internet gelesen. Mir wurde noch einmal vor Augen geführt, wie sehr Shas Generation vom Regime gequält und entfremdet wurde. Im Jahr 1958, in dem „der große Sprung nach vorne“ begann, forderte das Regime die Bevölkerung auf, spätestens in zehn Jahren „vier Schädlinge“ (Fliegen, Mücken, Ratten und Spatzen) zu vernichten. Der fast dreißigjährige Sha musste in diesem Jahr wie alle anderen auf Bäume klettern, ununterbrochen auf Trommel, Waschschüssel und andere Gegenstände schlagen, um Lärm zu machen, damit sich die Spatzen nicht ausruhen konnten und dann vor Müdigkeit tot herunter fielen. Darüber schrieb Sha im Jahr 1997 den Artikel „Die Spatzen in China im Jahr 1958“ und darin hießes: „Auf der ganzen Welt, seit eh und je sind keine Spatzen wie die Spatzen in China im Jahr 1958 durch eine politische Kampagne vernichtet worden.“ Sha musste auch noch wie alle anderen Gedichte über diese Dummheit schreiben, weil Mao sagte, „verteile jedem drei bis fünf Blatt Papier, damit sie Volkslieder schaffen. Wir haben über neunzigtausend Gemeinden, jede Gemeinde gibt einen Band heraus, dann haben wir über neunzigtausend Bände.“ Man kann sich vorstellen, was für Volkslieder dabei geschaffen wurden, wenn unter dem Zwang auch Sha nur Stoff zum Lachen lieferte. Beim Übersetzen seines „Volksliedes“ habe ich so gelacht, dass mir der Bauch weh tat. Shas Gedicht aus dem Jahr 1958 lautet:

„Die ganze Bevölkerung wurde eingesetzt
die Spatzen wurden völlig vernichtet
die Mücken sind nach Fujian gelaufen
die Fliegen haben sich in Guangdong versteckt “

Im Jahr 1974, als das Regime Sha wieder einmal wegen seiner Veröffentlichung kritisierte, übte Sha widerwillig Selbstkritik, nicht zuletzt weil er es für wichtiger hielt, dass seine Frau in die KP aufgenommen wurde, da sie sich gerade um die Mitgliedschaft der KP bemühte. Shas Frau ist keine Schauspielerin, wie in dem Film. Aber um so trauriger ist Shas Geschichte, zumal Sha jetzt noch hinter der Mauer in Shanghai lebt, und schon seit 58 Jahren.

Sha hat extra am Geburstag seiner Frau in diesem Jahr (5. August) die häufig auftauchenden Fragen der Freunde und Leser in einem Artikel beanwortet. Die letzte Frage lautete: Ist dieser Terror wirklich so schlimm?
Sha antwortet: Unsere Vorstellungkraft ist weit begrenzter als die Verfolgungsmethoden, die von ihnen ununterbrochen eingesetzt werden. Sie trauen sich alles zu! Viele Bekannte im Internet haben mich vor Gefahren gewarnt. Ich denke, es ist nicht unbegründet, ich bin auch nicht überempfindlich. Wenn ich schon aufgestanden bin, dann bin ich auch bereit, mich aufzuopfern, sonst würde ich bei der ersten Bedrohung sofort umfallen und bei dem ersten Schlag sofort aufgeben. Ich möchte in einem Testament allen sagen: Wenn ich plötzlich verschwinden würde, würde es bedeuten, daß ich gekidnappt und verhaftet wurde; Wenn ich bei einem Unfall sterben würde, glaub nicht einfach daran, es kann Mord und Attentat sein; Wenn ich wegen Korruption, wegen Prostitution offiziell verhaftet würde, dann kann man es glauben, aber glaub ja nicht an die Straftaten, die mir angedichtet würden. Meine „Straftat“ kann nur darin liegen, daß ich das Land und das Volk zu sehr liebe.

Köln, 2007