Zu den Journalistinnen aus China

rund_rRede vor dem Arbeitskreis Journalistinnen der Kölner Journalistenvereinigung am 26. Mai 2008

Als Erstes fällt mir Gao Yu (Jahrgang 44) ein. Als Mao zur Kulturrevolution aufrief, stand sie als Tochter zweier Funktionäre kurz vorm Abschluss eines vierjährigen Sinologie-Studiums. Danach musste sie acht Jahre lang auf dem Land arbeiten. Zu Maos Zeit wurde die gebildete Schicht als „Stinkende Nummer neun“ missachtet und misshandelt.

Nach Maos Tod wurde die KP gezwungen, auf den entgegengesetzten Kurs zu wechseln.

Ende der Siebziger begann die freieste Periode unter der kommunistischen Führung. Eine Propagandaagentur, die im Vergleich zu Xinhua selbständig scheinen sollte, musste wieder gegründet werden. So begann Gao Yu durch ihr Privileg als Funktionärstochter als Journalistin zu arbeiten und schrieb auch für Hongkonger Zeitschriften.

Als sie 1985 einen Artikel über den aus der KP Chinas ausgeschlossenen Journalisten Liu Binyan schrieb, bekam sie zum ersten Mal Schwierigkeit mit dem Regime.

1988 gab sie ihre unter strenger Zensur stehende Arbeit auf und wurde stellvertretende Chefredakteurin der „Wirtschaftswoche“, die ein liberaler Funktionär herausgab und eine wichtige Rolle in der Demokratiebewegung 1989 spielte. Gao Yu wurde auch deswegen vor dem Massaker am 4. Juni gekidnappt.

Im August 1990 wurde sie unter dem internationalen Druck entlassen, aber stand unter ständiger Überwachung.

Seit den Neunzigern spielte das Regime die international bekannten Dissidenten  als Geisel aus. Im Jahr 1993,  wurde Weijing Sheng entlassen, weil das Regime sich um das Austragungsrecht bemühte. Nach dem Scheitern wurde Gao Yu dann als Geisel genommen.

Am 2. Oktober 1993, zwei Tage vor ihrer Abreise in die USA, wo sie an der New Yorker Columbia-Universität ein Stipendium wahrnehmen wollte, wurde sie wieder verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, „Staatsgeheimnisse an Personen außerhalb des Landes weitergegeben zu haben“. Aber sie hat genau wie vorher für die Hongkonger Zeitschriften geschrieben.

Trotz der schlechten Haftbedingungen und Krankheiten verweigerte Gao Yu „Geständnisse“, die zu einer vorzeitigen Freilassung hätte führen können.

Februar 1999 wurde sie  entlassen und zur medizinischen Behandlung unter Bewährung gestellt.

Gao Yu erhielt diverse Auszeichnungen, wurde sogar zweimal vom Weltverband der Zeitungen (WAN) und zweimal von International Women‘ Media Foudation (IWMF) ausgezeichnet.

Gao Yu ist bereit, ein drittes Mal verhaftet zu werden. Ihrer Meinung nach ist die Lage der chinesichen Medien unter der kommunistischen Führung jetzt noch schlechter als zu Maos Zeit.

Gao Yu landete im roten Gefängnis, weil sie eine Journalistin ist und sich auch wie eine Journalistin verhalten hat.

Zu ihr fiel mir Jennifer Zeng (Jahrgang 66) ein, die mich im Jahr 2003 kontaktierte, wegen ihrer Biographie, die später in der Republik China auf der Insel Taiwan und unter dem Titel  „Witnessing History: One Chinese Woman’s Fight for Freedom“ in Australien erschien.  Für die chinesische Ausgabe habe ich ein Geleitwort geschrieben.

Im Gegensatz zu Gao Yu begann Jennifer erst zu schreiben, nachdem sie aus dem Gefängnis kam.

Jennifer ist in meinem Alter, aber erwarb als Studentin die Mitgliedschaft der KP an der Peking Universität, während ich mit 18 nicht bereit war, einen Antrag auf eine Mitgliedschaft zu stellen. Mein Vater hätte mich gerne dazu gebracht, weil er als Funktionär weiß, daß die Mitgliedschaft eine Karriere in dem System ermöglicht.  Das heißt, Jennifer gehörte zu den roten Chinesen, die nach dem Pekinger Massaker eine Karriere machte und reich wurde.

Leider wurde sie schwer krank. Es war Falun Gong, die sie heilte. Als das Regime zwei Jahre später Falun Gong verbot, wurde sie viermal inhaftiert. April 2001 wurde sie zum letzten Mal entlassen, im Mai begann sie zu schreiben und floh im September nach Australien. Nachdem sie Asyl erhalten und ihre Biographie veröffentlicht hat, arbeitet sie  in Sydney als Redakteurin und Journalistin für Exilmedien.

Ihr Buch hat ein breites Publikum über das unvorstellbare Verbrechen informiert, welches das Regime zu verleugnen und vertuschen versucht. Innerhalb von drei Monaten wurde die chinesische Ausgabe achtmal gedruckt und die englische zweimal.

Ende 2006 habe ich an der ersten Konferenz der Chinesischen Liberalen Kulturbewegung in Australien teilgenommen, deren Aufgabe darin besteht, das kommunistische Verbrechen zu dokumentieren, aufzuarbeiten und die chinesische Kultur aufleben zu lassen.

Jennifer hat die Berichterstattung und Simultanübersetzung übernommen.
Letztes Jahr hat sie auch an einer Pen-Konferenz in Hongkong mitgewirkt und gedolmetscht, unter anderem für Gao Yu.

Nicht zuletzt möchte ich auch Wei Se, eine tibetische Schriftstellerin vorstellen, die der tibetische Journalistenverband im Jahr 2007 auszeichnete.

Wei Se ist so alt wie Jennifer. Ihr Vater war ein halbhan und halbtibetischer Kommunist und offizier. Wei Se wurde indoktriniert wie wir auch.  Sie hat an einer Hochschule in Sichuan studiert, die extra für ethnische Minderheiten errichtet wurde. Das würde ich auch als Strategie der Kommunisten bewerten, mit der das Regime einerseits Tibeter und andere ethnischen Minderheiten einlullt und andererseits die Han-Chinesen dazu bringt, sich über Tibeter und andere ethnischen Minderheiten zu ärgern. Denn die Han-Chinesen müssen eine viel bessere Gesamtnote erreichen, um zum Studium zugelassen zu werden.

Wie dem auch sei, machte Wei Se  zuerst als Schrifstellerin eine Karriere in dem System, auch wenn  sie sich 1997  zum Buddhismus der tibetischen Schule bekehrte. Ab 1999 konnte sie das Internet besuchen, was ihr Zugang zu freien Informationen verschafft. Dadurch hat sie sich von der roten Indoktrination befreit.

Sie wäre beinahe stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift Tibetische Literatur in Lhasa geworden, wenn sie nicht in ihrem Buch Tibetische Notiz 2003 den Dalai Lama verehrt hätte. Das Buch wurde verboten und sie wurde verfolgt. Die zugewiesene Wohnung wurde zurückgenommen. Es war ihr auch nicht möglich, einen Paß zu bekommen. Sie mußte Lhasa 2004 verlassen, wo sie ab 1990 lebte. Ende 2004 heiratete sie Wang Lixiong (Jahrgang 53), einen namhaften Schrifsteller, der sich als Han-Chinese für andere ethnischen Minderheiten einsetzt und lebt mit ihm in Peking. 2005 hat das Ehepaar in der Schweiz ein gemeinsames Werk „Unlocking Tibet“ veröffentlicht.

Seit dem 10 März, an dem der tibetische Aufstand begann, dient mir ihr Blog, der seit 2004 existiert, als Quelle für meine Arbeit über Tibet. Denn sie veröffentlicht eine Dokumentation, die ich nirgendwo sonst finde. In meinem offenen Brief an den Dalai Lama habe ich auch sie zitiert.

Eigentlich war hier der Schluß meiner Vorstellung über die Journalistinnen aus China. Aber dann wurde mir ein Kölner-Stadt-Anzeiger in die Hand gedrückt, in dem unter der Überschrift „Das Volk blickt irgendwann durch“ die stellvertretende Leiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle abstreitet, daß „China ein ganz schlimmes, böses Land ist, das Menschenrechte mit Füßen tritt“. Mir wäre auch lieber, wenn in der westlichen Berichterstattung ein Unterschied zwischen China und KP Chinas gemacht werden könnte. Aber es ändert nichts an der Tatsache, daß in China zur Zeit das schlimmste Verbrechen begangen wird, während ein Wirtschaftswunder geschieht, wie im Dritten Reich. Sie ist leider der Meinung, daß die westlichen Medien zu negativ über China berichtet hätten.

Ich kann es kaum glauben, daß es die Journalistin ist, die genau wie ich im Jahr 1988 nach Deutschland gekommen  ist. Denn sie  kann all die Informationen über das Pekinger Massaker, Falun-Gong Verfolgung, Zwangsumsiedlung bzw. -enteignung, Zwangssterilisierung und -abtreibung usw. erhalten wie ich. Warum verbreitet sie in der deutschen Öffentlichkeit dennoch die rote Propaganda?

Ich habe eine Email an sie geschickt und gefragt ob sie beabsichtigt hat, in dem Streitgespräch den Standpunkt der kommunistischen Botschaft zu vertreten, denn ihre Argumente erinnern mich an eine Mongolin, die als Kommunistin zur chinesischen Botschafterin in England aufgestiegen ist. Es hätte mich gefreut, wenn ich mich mit ihr darüber unterhalten könnte. Aber auf meine Email antwortete sie mit einem Satz: „Ich sehe keine Notwendigkeit für ein Gespräch. Gruss“.

Was für Gründe gibt es dafür, daß sie freiwillig als Sprachrohr des Regimes im Ausland dient?
Hat sie sich noch nicht von der roten Indoktrination befreit?
Weiß sie nicht, daß die Republik China, die von den Kommunisten auf die Insel Taiwan vertrieben wurde, bald ihren hundertesten Geburtstag feiert?
Was für eine Rolle spielt sie bei der Deutschen Welle? Wenn sie selbst die deutsche Kritik an der KP Chinas nicht versteht, wie kann sie der Bevölkerung in der VR China, die keine freien Nachrichten erhalten, ein positives Deutschlandbild vermitteln?

Ihr Gesprächspartner, ein Hongkong-Chinese, der sich bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrecht engagiert, berichtet, daß die chinesische Stasi  mit Bestechung und Bedrohung versucht hat, seine Haltung zu ändern.

Das ist mir nicht fremd, denn auch ich muß dem Druck von meinen Eltern standhalten, seit ich öffentlich das Regime anprangere und ich darf auch nicht mehr nach China fliegen, was mir aber nicht schwerfällt, denn mein zweiter Versuch, nach China zurückzukehren, hat mir gezeigt, daß sich das kommunistische Regime zu einem roten Naziregime entwickelt hat, welches nicht nur China, sondern auch die ganze Welt bedroht.

Deshalb fühle ich mich berufen, mein Menschenrecht in Deutschland geltend zu machen und die Welt vor der roten Gefahr, der roten Propaganda, der roten Infiltration, den roten Nazis und den roten Spionen aus China zu warnen.

Köln, Mai 2008